Sehbehinderung ist vielfältig

Simulation einer Sehbehinderung

In Marburg leben proportional zur Bevölkerung mehr Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung als in jeder anderen deutschen Stadt. An der blista lernen und leben derzeit rund 280 Schülerinnen und Schüler. An der Universität studieren rund 150 Menschen mit Seheinschränkungen. Und in der Stadt leben und arbeiten noch viele weitere. Bundesweit sind vor allem ältere Menschen von einem massiven Sehverlust betroffen.

Doch was bedeutet Blindheit eigentlich? Juristisch gilt man als „blind“, wenn das Sehvermögen um mindestens 98 Prozent vermindert ist. Die meisten Menschen leben also nicht – wie Sehende oft glauben – in völliger Dunkelheit. Viele haben noch optische Eindrücke, etwa die Wahrnehmung von hell und dunkel oder die Umrisse einer Person. Viele spät erblindete Menschen können zudem auf – unterschiedlich intensive – „optische Erinnerungen“ zurückgreifen.

Etwa 80 % der Informationen über die Umwelt erhalten wir über die Augen. An der Verarbeitung dieses Impulses ist etwa ein Viertel des Gehirns beteiligt. Damit wird deutlich, wie groß die Auswirkungen von Sehbehinderung und Blindheit für Menschen sein können!

Wie sich das Blindsein für Betroffene anfühlen kann, beschreibt der mit acht Jahren erblindete Philosophieprofessor Jacques Lusseyran in seiner Autobiografie „Das wiedergefundene Licht“ (1966): „Seitdem ich blind war, konnte ich keine Bewegung mehr machen, ohne eine Flut von Geräuschen auszulösen. Wenn ich einen Schritt machte, weinte oder sang der Fußboden. Wenn ich unvermittelt sprach, dann zitterten die Scheiben. Jedes Möbelstück knarrte, einmal, zweimal, zehnmal. Ich konnte die kleinste Vertiefung in den Wänden von Ferne vernehmen.“