Zeitenwende — vom Leben nach der blista

Duales Studium zum Diplom: Verwaltungswirt

Christian Thome, Abitur 2012

2017

Aktuell arbeite ich als verbeamteter Dipl. Verwaltungswirt im Sozialministerium des Saarlandes in Saarbrücken. Als Verwaltungswirt ist man sozusagen Generalist, dies war für mich auch ein Grund für die Wahl gerade dieses Studiums, denn durch eine allgemein gehaltene Ausbildung kann man in den verschiedensten Behörden eingesetzt werden. Ein weiteres Motiv für meine Entscheidung war, dass das Arbeiten in diesem Bereich zumeist barrierefrei möglich ist, da der Großteil der Aufgaben am Computer durchgeführt werden kann. Der gehobene Verwaltungsdienst bietet zudem gute Aufstiegsmöglichkeiten, wodurch man relativ schnell in Führungsverantwortung gelangen kann, was sich natürlich dann auch positiv im Geldbeutel widerspiegeln würde. Erste Erfahrungen in diesem Bereich konnte ich an der blista bereits 2011 im Rahmen des zwei-wöchigen BOSS-Praktikums der Schule sammeln, welches ich in einer Kommunalverwaltung absolvierte.

Studienort und Auswahlverfahren

Zur blista kam ich zur 5. Klasse. Nach meinem Abitur zog es mich dann wieder zurück in meine alte Heimat, das Saarland. Die Wahl meines Ausbildungs- bzw. Studienorts fiel auf Saarbrücken. Da ich vollblind bin, sprach für Saarbrücken außerdem, dass ich sowohl die Studienveranstaltungen des dualen ­Studiengangs als auch den praktischen Ausbildungsteil in der Verwaltung in derselben Stadt absolvieren konnte. Deshalb bewarb ich mich schon frühzeitig bei verschiedenen Behörden in der Region, die das duale Studium zum Verwaltungswirt anboten, wobei ich einige Bewerbungen schon während des Auswahlverfahrens zurückzog, da ich relativ schnell eine Ausbildungsstelle in einer regionalen Behörde angeboten bekam.

Nachdem ich dort die Auswahltests bestanden hatte, wurde mir im Vorstellungsgespräch geraten, statt des dualen Studiums doch lieber eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten zu beginnen. Dazu muss man wissen, dass diese Ausbildung eine Stufe tiefer angesiedelt ist als das duale Studium zum Diplom Verwaltungswirt, was mir eigentlich vorschwebte. Begründet wurde mir dies damit, dass man in diesem Ausbildungsgang bereits Erfahrung mit einer blinden Angestellten sammeln konnte. Die Einstellung eines Blinden zu einem dualen Studium sei für die Behörde eine erneute Umstellung und somit ein großes Problem.

Darauf wollte ich mich allerdings nicht einlassen, und nach einigem zähen Hin und Her wurde ich dann doch für das duale Studium eingestellt. Allerdings sagte ich der regionalen Behörde etwas später zugunsten einer Ausbildungsstelle beim Innenministerium des Saarlandes ab. Dort erlebte ich das komplette Gegenteil im Umgang mit meiner ­Behinderung. Es wurde sehr offen mit mir umgegangen und man gab mir die Möglichkeit, zu Beratungszwecken stets auf die Expertise des Schwerbehindertenvertreters zurückzugreifen, mit dem ich jederzeit Kontakt aufnehmen konnte.

Ein Problem während der Ausbildungszeit ergab sich dann doch noch, denn die Fachhochschule, an welcher das duale Studium stattfand, war zwischenzeitlich an einen Ort umgezogen, der nicht mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu erreichen war. Die nun für mich anfallenden Taxikosten übernahm das Integrationsamt; allerdings hatte sich die Sache bereits nach einem Monat wieder erledigt, da sich eine Fahrgemeinschaft ergab.

Das duale Studium

Das Fachhochschulstudium zum Diplom Verwaltungswirt dauert drei Jahre, wobei sich Praxisphasen und Studienphasen abwechseln. Es ist ein juristisches Studium, ergänzt um wirtschaftswissenschaftliche Inhalte. ­Fächer sind u. a. Verwaltungsrecht, Bürger­liches Recht, BWL und Politikwissenschaften. Mein Studium an der Fachhochschule war weitgehend barrierefrei. Skripte, Präsentationen und Klausuren wurden mir von den ­Dozenten in digitaler Form zur Verfügung gestellt. Manches musste ich mir jedoch selbst einscannen oder mit der für Blinde ­inzwischen notwendigen Texterkennungssoftware Abbyy Finereader umarbeiten.

Hier hätte ich mir gewünscht, von der blista die Fähigkeit zum Umgang mit nicht komplett barrierefreien Dokumenten mitzunehmen. Eine Anregung von mir wäre, dass im Textverarbeitungsunterricht zukünftig bereits sehr früh eingescannt wird und der Umgang mit nicht durchsuchbaren PDF-Dateien geübt wird. Die Zeit, die bei uns im Unterricht mit regelmäßigem Ausfüllen von ­Lückentexten und sogar mit kreativem Schreiben verplant wurde, hätte durch eine etwas andere inhaltliche Gewichtung meiner Meinung noch besser genutzt werden können.

In den Praxisphasen des dualen Studiums durchlief ich verschiedene Behördenverwaltungen, wobei diese Phasen oft so kurz waren, dass ich in den diversen Praktika zumeist ohne technische Hilfsmittel auskommen musste. Da an den Praktika immer mehrere Studierende teilnahmen, mit denen ich mich austauschen konnte, und außerdem viel erklärt wurde, stellte dies für mich aber kein größeres Problem dar. Eine Arbeitsassistenz brauchte ich im Studium zunächst nicht, da die meisten Unterlagen und Gesetzestexte digital vorlagen. Die Lehrbücher, die ich für das Studium benötigte, waren zwar nicht digital zugänglich, jedoch konnte ich digitale Versionen bei den Verlagen erwerben. Manche Verlage waren dabei sehr kooperativ, andere mussten zunächst überzeugt werden. Für die Hausarbeiten, die in diesem Studiengang erst im zweiten Abschnitt zu erledigen waren, sowie für die Diplomarbeit griff ich jedoch auf eine von mir selbst ausgesuchte Arbeitsassistenz zurück.

Der Einstieg ins Berufsleben

Das Studium schloss ich im Dezember 2015 mit der Laufbahnprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst mit einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis ab. Meine Aus­bildungsbehörde, das saarländische Innenministerium, bildet federführend für die gesamte Landesverwaltung aus. Nach dem Studium werden die dort eingestellten Studierenden auf sämtliche Landesbehörden verteilt. Ich wurde dem Sozialministerium zugeteilt und bin nun hauptsächlich im Bereich der Eingliederungshilfe (zum Beispiel Bearbeitung von Petitionen) und in der ­Gesetzgebung tätig. Dort kann ich mit Hilfe der üblichen blindentechnischen Hilfsmittel barrierefrei arbeiten. Ein entscheidender Vorteil an meiner Arbeitsstelle ist, dass die Aktenführung nahezu vollständig elektronisch ist. Die Dokumente liegen mir somit sofort digital vor. Der Umgang der Kollegen und Vorgesetzten mit meiner Behinderung ist sehr offen.

Mein Fazit

Bisher bin ich mit meinem Start ins Berufsleben, in das mir die blista den Weg geebnet hat, sehr zufrieden. Die vollständige Barrierefreiheit an der blista ist zwar grundsätzlich richtig, jedoch sollte das Thema Bewältigung von Barrieren, und hier vor allem technischer Barrieren, nicht vollständig ausgeklammert werden. Ich muss sagen, dass ich von der blista sehr viel mitgenommen habe, was mich sowohl im Berufsleben als auch im ­Privatleben sehr weit gebracht hat. Mein ­besonderer Dank gilt Gerd Willumeit vom RES, der mich über meine gesamte blista-Zeit begleitet hat.