PROJob entwickelt in der Krisenzeit neue Wege

Das Integrationsangebot PROJob ist eine an der blista entwickelte, zertifizierte Maßnahme der Agentur für Arbeit, die an den beiden blista-Standorten Marburg und Frankfurt angeboten und auch rege nachgefragt wird. Sie richtet sich speziell an blinde und sehbehinderte Menschen, die (wieder) in den Arbeitsmarkt einsteigen möchten. Zu den Erfolgsfaktoren zählt die professionelle Unterstützung durch die Jobcoachs. Zudem werden die Teilnehmenden im Rahmen des Empowerments darin gestärkt, sich eigenständig zu strukturieren und sich bezüglich der Einschränkungen mit Kompetenz "in eigener Sache" auszustatten.

„Unerwartet gut!“

Als Vollzeit-Maßnahme und findet PROJob – eigentlich – täglich von 9:00 bis 16:00 Uhr statt. Wie geht es jetzt, habe ich den PROJob Koordinator in Marburg, Christoph Korte, gefragt.

Schreibtischausstattung zur Maßnahmenleitung: Laptop und Telefonanlage

Der lacht spontan: „Unerwartet gut!“ und berichtet: „Wir starten jeden Morgen mit einer Telefonkonferenz, wo wir zunächst fragen, wie es den Einzelnen geht. Das ist jetzt, bei der Arbeit via Homeoffice wichtig, weil im häuslichen Umfeld der sechs Teilnehmenden natürlich ganz unterschiedliche Situationen herrschen. Der eine hat jetzt zwei Kindergartenkinder zu Hause, die nächste ist vollblind und benötigt da eine Unterstützung, die dritte hat ihre Schulkinder zu versorgen … Wir fragen in der Morgenrunde ab, wie sich die einzelnen organisieren und einrichten. Von den Ideen der Einzelnen, dem Austausch profitieren alle und zugleich ist es eine gute Erfahrung für eine funktionierende Zusammenarbeit im Team. So können wir anschließend die Aufmerksamkeit auf die Perspektive der beruflichen Teilhabe lenken.“

Wie lassen sich die Gruppenaufgaben neu organisieren?

„Als Teamaufgabe haben wir die Gründung einer Firma gewählt. Zunächst ging es dabei um die Frage der Geschäftsform, GmbH, KG oder Verein, es ging um den Firmennamen und jetzt um die Konzeption. Dazu werden Individual- und Gruppenaufgaben verteilt. In der Kollaboration müssen wir uns quasi ein Stück neu erfinden, wenn es darum geht, wie die Teilnehmenden jetzt in Zweier- oder Dreiergruppen bzw. als gesamtes Team über die Distanz gut zusammenarbeiten. Und das ist spannend! Wir sind im blista-Beratungs- und Schulungszentrum ja ein interdisziplinäres Team und haben mit den unterschiedlichen Expertisen prima Voraussetzungen für neue, barrierefreie Lösungen. Es geht sowohl um Plattformen als auch um Software und nicht zuletzt um eine tolle Zusammenarbeit. Denn auch die Teilnehmenden engagieren sich mit all den Kompetenzen, die sie aus ihren unterschiedlichen Berufsfeldern mitbringen. Eine Dame ist zum Beispiel Informatikkauffrau, hat sehr gute Punktschriftkenntnisse und testet mit, in welchen Foren oder Chats man sich barrierefrei gut organisieren kann. Ein anderer hat großartige soziale Kompetenzen und trägt dazu bei, dass sich die Teilnehmenden untereinander unterstützen, gerade auch mit Tipps für die ungewohnte Parallelaufgabe, die Beschäftigung der Kinder.“

Wie schaffen Sie die technischen Voraussetzungen für das Arbeiten von Zuhause?

„Wir haben im Vorfeld bei den ersten Ankündigungen die jeweils individuell nötige technische Ausrüstung und die Laptops fertiggemacht und geschaut, dass alle damit gut zurechtkommen. Aber es sind in der Tat ganz neue Ansprüche, die wir an die Technik und die Medien stellen. Es geht für das Team der Teilnehmenden um barrierefreie Möglichkeiten für die virtuelle Kollaboration von Zuhause aus. Dazu brauchen wir Spezialwege, die zuvor nicht erforderlich waren. Wir recherchieren, testen, erproben und entwickeln Vorhandenes weiter. Wir werden von der Zentralen IT der blista (kurz ZITA) dabei sehr gut unterstützt.“

Wir kommunizieren das alles eng mit den Kostenträgern, die sehr, sehr engagiert sind und uns voll und ganz unterstützen. So konnten zwei Teilnehmende ihre Maßnahme verlängern, weil es für sie nach ihrer Praktikumsphase jetzt denkbar schlechte Rahmenbedingungen für Bewerbungen gibt. Der Schwung aus den guten Erfahrungen der Praktikumszeit soll nicht wieder verloren gehen. Allein zu Hause könnte der eine oder die andere schnell in ein Loch fallen. So aber geht es weiter. Es ist wirklich eine tolle Sache, dass die Leistungsträger uns den Rücken stärken.

Die Präsenszeiten werden üblicherweise recht streng kontrolliert. Wie geht das jetzt?

Wir haben bereits viel Erfahrung mit dieser Maßnahme und schauen entsprechend, wie die Teilnehmenden die ihnen gestellten Aufgaben erfüllen. Die Arbeits- bzw. Bürozeiten sind flexibel, die organisieren sich die Teilnehmenden ganz individuell. Je nach familiärer Situation arbeiten manche tagsüber am Stück, manche teilen die Zeiten auf. Die Teilnehmenden dokumentieren die Aufgaben und die Zeit, die sie dafür brauchen. Wir telefonieren einmal morgens und einmal abends. So verfolgen wir genau, was inhaltlich in der angegebenen Zeit geschafft wurde. Wir können also nicht für jeden einzelnen Tag und Teilnehmer die sonst üblichen Präsenszeiten garantieren, die schwierige Situation schlägt bei den Einzelnen hier und da rein, wir stecken einfach in einer schwierigen Zeit. Aber die Motivation und das Engagement in der Gruppe sind stark, die erbrachten Leistungen stimmen. Es ist schon sehr bemerkenswert, wie toll sie das machen: Die Teilnehmenden stemmen die alltäglichen Anforderungen und tun zugleich ihr Möglichstes für das Ziel der Teilhabe am Arbeitsmarkt.“

Das Interview mit Christoph Korte führte Imke Troltenier.

Foto: Christoph Korte