Gelungenes Experiment

Ein junger Mann mäht den Rasen mit professionellem Gerät

Wenn die Arbeit am PC nicht das Richtige ist - mit Sehbehinderung ins Handwerk

Gabi Henkel, Ressort focus arbeit und Mitglied der Redaktion | Seit September 2022, besucht Hermann Sprigade (33 J.) die PROJob-Maßnahme im Beratungs- und Schulungszentrum (BSZ) in der Biegenstraße 20 ½, um für sich neue berufliche Perspektiven zu finden. Er möchte wissen, in welchem beruflichen Bereich er seine Stärken einbringen kann, nachdem er die BtG (Blindentechnische Grundrehabilitation) absolviert hat. Bis zu seinem 17. Lebensjahr hat er noch gut sehen können, doch durch den schleichenden Prozess der RP (Retinitis Pigmentosa) musste er nicht nur die Fahrschule abbrechen, sondern sich auch schulisch und beruflich neu orientieren. Die Vorstellung, blind zu werden und zu erleben, wie die Sehkraft nachlässt, war sehr herausfordernd. Es war eine Phase, in der die Zukunftsaussichten immer mehr ins Schwanken gerieten. Über die Lebenshilfe fand Hermann Sprigade dann den Weg zur blista.
Zunächst absolvierte er die BtG und kam dann zum Bewerbungscoaching PROJob. Gemeinsam mit den Jobcoaches Aline Grüner und Gaby Henkel entwickelte er die Idee, im handwerklichen Bereich ein Praktikum zu absolvieren, am liebsten im Garten- und Landschaftsbau (GaLaBau).

Der 33-Jährige war zunächst skeptisch, ob er aufgrund seiner Sehbeeinträchtigung die Arbeiten überhaupt ausführen kann und bewarb sich bei der blista-Abteilung Bautechnik, da hier alle Gewerke angesiedelt sind. Im Vorstellungsgespräch konnten sowohl Thorsten Kelm, Abteilungsleiter der Bautechnik, als auch Hermann Sprigade ihre Bedenken beseitigen. Nachdem das Vorstellungsgespräch positiv verlief, wollte sich Hermann Sprigade auf das Experiment einlassen, ein sechswöchiges Praktikum in einem neuen Umfeld zu absolvieren. So entstand eine Kooperation der blista Abteilungen BSZ und Bautechnik.

blista-News: Wie hat Ihnen das Praktikum gefallen?

Hermann Sprigade: Es war eine schöne Erfahrung für mich, um herauszufinden, was mit meinen Sehvermögen noch möglich ist. Ich habe dabei festgestellt, dass, wenn mir jemand am Anfang der Arbeit zeigt und gut erklärt, ich weiß, was ich machen muss. So habe ich meine Arbeit sehr gut bewältigen können. Bei der Gartenarbeit, beim Auf- und Abbauen hat es mit meinem Sehrest auch sehr gut funktioniert. Ich habe gemerkt, dass ich auch körperlich sehr stark belastbar bin und auch schwere Dinge tragen kann. Bei den Malerarbeiten kann ich nicht mithelfen, dazu reicht meine Sehschärfe nicht aus, aber alles andere hat gut geklappt.

blista-News: Was waren Ihre Aufgaben während des Praktikums?

Hermann Sprigade: Die blista-Abteilung Bautechnik hat eine große Verantwortung, ohne die geht in der blista eigentlich gar nichts. Wir haben Einsatzorte, die in der gesamten Stadt verteilt sind. Wir arbeiten eigentlich jeden Tag woanders. Vom Rasenmähen, Blumenkästen befüllen, Heckenschnitt, Unkraut jäten und das alles entsorgen, über Müll einsammeln, Mauer- und Pflasterarbeiten, Wege säubern, vertretungsweise Pferdeboxen säubern, Hundegehege bauen, ist alles dabei. Die vielen unterschiedlichen Abläufe müssen alle geplant und koordiniert sein.

Dann gilt es, Veranstaltungen wie z.B. auch den bevorstehenden  VBS-Kongress vor- und nachzubereiten. Dafür haben wir Bepflanzungen vorgenommen, damit es schön blüht, es werden Stühle und Tische auf- und abgebaut, Mülleimer montiert, mal eine Leinwand transportiert und auf- und abgebaut, Zäune montiert und vieles mehr. In der Zwischenzeit wächst ja das Gras weiter und die Einsatzorte wechseln wieder. Das ist so vielseitig und interessant; ich habe inzwischen sehr viel dazugelernt und lerne auch, wie mit Geräten umzugehen ist und wie schwierige Arbeiten zu bewältigen sind.

blista-News: Was war für Sie besonders beeindruckend?

Hermann Sprigade: Das Praktikum hat einfach total viel Spaß gemacht. Ich würde sehr gerne dort weiterarbeiten und habe festgestellt, dass ich gut im Team arbeiten kann.

blista-News: Wie geht es jetzt nach dem  Praktikum weiter für Sie?

Hermann Sprigade: Wir konnten gemeinsam mit Herrn Kelm von der Bautechnik und den Jobcoaches von PROJob eine geniale Lösung für mich finden: Ich bin jetzt nicht mehr die volle Woche in PROJob, sondern nur noch zwei Tage. Den Rest der Woche darf ich mich körperlich im Garten- und Landschaftsbau betätigen, dort arbeiten und Erfahrungen sammeln. Länger am PC zu sitzen, ist absolut nicht mein Ding; ich muss in Bewegung und draußen sein, das ist das Beste für mich.
Das Praktikum hat mir eine ganz neue Perspektive gegeben, ich bin sehr glücklich darüber. Mein Wunsch ist es, solange im Bereich GaLaBau zu arbeiten, bis es meine Augenerkrankung nicht mehr zulässt.

blista-News: Gibt es etwas, was Sie für sich mitnehmen?

Hermann Sprigade: Ich bin dankbar und glücklich darüber, dass Herr Kelm mir die Chance für ein Praktikum gegeben hat und die Kollegen mich so herzlich aufgenommen haben. Am 25. August diesen Jahres endet PROJob für mich. Sollte die blista-Abteilung Bautechnik noch Personalbedarf haben, kann ich vielleicht weiterhin dort arbeiten. Oder meine Bewerbungen sind erfolgreich und ich finde hoffentlich schnell ein anderes Unternehmen, um meine Erfahrungen weiter ausbauen zu können.

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  • Hermann Sprigade mäht den Rasen hinter dem BSZ mit professionellem Gerät