Erfahren, fühlen, erleben
Team-Tag der Arbeitsvermittler*innen der Arbeitsagentur Marburg auf dem blistaCampus
Ulrich Freistedt und Thorsten Büchner | Unter diesem Motto gestaltete die Abteilung der Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Marburg ihren Team-Tag dieses Jahr an der blista. Die 15 Mitarbeiter*innen der Bundesagentur hatten im Marburger Stadtbild bereits vielfach Berührungspunkte mit sehbehinderten und blinden Menschen. Die direkte Begegnung mit der Thematik war für viele allerdings vollkommen neu. Zwar waren unter den Klient*innen der Arbeitsvermittlung durchaus schon einige blinde und sehbehinderte Menschen; was diese Beeinträchtigung aber für die Alltagsbewältigung bedeutet, sollte sich an diesem Tag erst für viele der Gäste - zumindest als Einblick - erschließen. Nach einer einstündigen Führung über den blistaCampus war es höchste Zeit, dass die Gäste nun selbst aktiv wurden, um ihre Welt nun auf ganz andere Weise wahrzunehmen.
Engagiert griffen die Besucher*innen zu Augenbinden und führenden Partner*innen. Sie erlebten so, gut abgesichert und angeleitet, was es bedeutet, ohne Seheindrücke eine fremde Strecke zu gehen, Treppen zu steigen und mit größter Aufmerksamkeit auf Geräusche, Bodenunebenheiten und Orientierungshilfen aller Art zu achten.
Dabei war es nicht nur für die Gäste unter der Augenbinde eine echte Herausforderung an ihren Mut, sondern auch ihre Unsicherheit zu besiegen. Auch für die Kolleg*innen, die die Führung ihrer Partner*innen übernahmen, war es eine besondere Herausforderung in Sachen Verantwortung, vorausschauendem Planen und der Konzentration auf die richtigen Ansagen bzw. Informationen zum passenden Zeitpunkt. Wann sagt man eine Treppe an? Welche Informationen sind wichtig? Hoch oder runter? Die Anzahl der Stufen? Geländer links oder rechts? Wie funktioniert ein Seitenwechsel? Das waren viele Fragen, die zur Bewältigung der konkreten Herausforderung wichtig waren, die aber auch den Mitarbeiter*innen der BA für zukünftige Begegnungen und Unterstützungsleistungen im Alltag als Hilfe dienen können.
Ebenso war es beim Fühlen und Erkennen diverser Objekte unter der Augenbinde für viele Gäste erstaunlich, wie schwer es doch ist, einen Gegenstand ohne visuellen Eindruck richtig beschreiben und einordnen zu können. Hat ein Igel tatsächlich Fell am Bauch? Sind da nicht nur Stacheln? Ist das Maulwurffell wirklich so kuschelig? Was ist das.....? Iiiih, eine Maus!
Die vielen und speziell aufbereiteten Unterrichtsmaterialien sorgten ebenfalls für viel Interesse. Egal, ob erhabene Landkarten, Reliefgloben, Zeichenbretter für den Geometrie-Unterricht oder ein Modell vom Mittelatlantischen Rücken. Die spezifischen Anforderungen an Lehrkräfte, Materialien sowie Unterrichtsformen und damit auch in die Übertragung der Vielzahl spezieller Hilfsmittel und Anpassungen zur Bewältigung des Alltages von Braille-Zeilen über Sprachausgaben bis zu barrierefreien Internetseiten waren Themen, die die Gäste brennend interessierten.
In der anschließenden Demonstration der Punktschrift blieb es natürlich nicht beim Referieren und Demonstrieren. Auch hier legten die Gäste selbst wieder Hand an und erprobten sich im Punktschrift-Alphabet und in der Übersetzung des Gedichtes "Die Made" von Heinz Erhardt. Einerseits waren die Gäste überrascht, was man mit sechs Punkten auf Papier so alles machen kann, andererseits natürlich auch fasziniert, welche Fertigkeiten blinde Menschen entwickeln müssen.
Nach einem stärkenden Mittagessen war die Zeit der vielen Fragen. Vom bundesweiten Einzugsgebiet der CSS, über das Aufnahmeverfahren, das Internat, die Schulabschlüsse bis hin zur Arbeitsvermittlung bzw. Berufsauswahl reichten die Fragen.
Für unsere Gäste hatte sich an diesem Tag ein Einblick in eine Thematik eröffnet, die sie bislang weniger intensiv als Momentaufnahme im Marburger Stadtbild zur Kenntnis genommen hatten. Mit großer Anerkennung und Respekt vor den Leistungen, die seheingeschränkte und blinde Menschen täglich zu erbringen haben, um weitgehend eigenständig im Alltag strukturiert und organisiert zurecht zu kommen, schloss sich der Team-Tag für die Arbeitsvermittler*innen.
Wir haben uns sehr gefreut unseren Gästen die blista und ihre vielfältigen Aufgabenfelder näher zu bringen, gleichzeitig haben sie durch ihr engagiertes Mitmachen viel Mut bewiesen und damit den Tag abwechslungsreich mitgestaltet.