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Heute: Das Osterferiencamp 2015 - Szenen

Januar

Winfried Thiessen*. "Jou. Ostercamp. Mal wieder 'ne Freizeit mitmachen - ist 'ne gute Abwechslung vom Wohngruppenalltag. Könnte ich mir durchaus vorstellen", hörte sich Herr W. sagen. "Wie alt?" wollte er noch wissen. "10 bis 14 Jahre, sieben der Kids sind außerdem vollblind", bekam er zur Antwort.

März

Upps! Sehen wirklich verdammt jung aus! Viel jünger als die Teilnehmer beim letzten Sommercamp. Dann ging es los. Sechs Tage Reiten, Theater, Schwimmen, Sporteln und Kegeln.

Auch das Chaos gruppiert sich um einen festen Punkt, sonst wäre es nicht einmal als Chaos da. (Arthur Schnitzler)

"A und B im Doppelzimmer? Nein, das passt ja überhaupt nicht. B und C sollten tauschen!"-"Ich regele das mal schnell", hörte sich Herr W. Überaus motiviert sagen und schnappte sich sogleich die T-Shirts und Pullis von B, um sich mit den Fruits of the loom, den Erzeugnissen des Webstuhls, auf den Weg in das nun vormalige Zimmer von C zu machen. Er wollte keine Zeit verlieren - gehe niemals mit leeren Händen -, deshalb griff er sich sogleich ein paar Sachen aus dem Regal von C, das jetzt ja das Regal von B werden sollte, um sie in das Doppelzimmer von A&B zu tragen, das ja nun eigentlich zum Zimmer von A&C geworden war.

Diesen Vorgang wiederholte er mehrere Male, wobei er sowohl den helfenden C als auch B mehrmals in den Kurven fast umgerannt hätte. Er schob es auf sein schnelles Arbeitstempo und die sehr schlechten Sichtverhältnisse bei C&B. Als eine Kollision dann doch unvermeidbar wurde, bemerkte er in den Armen von B eine Hose, die ihm verdächtig bekannt vorkam. Die Neuronen in seinem Oberstübchen begannen wie wild um sich zu feuern. Hatte er überhaupt Bs Klamotten aus dem Regal geräumt und nicht etwa die von A, die er im Eifer des äGefechts nur für Bs gehalten hatte? A hatte allerdings auf Nachfragen keinen blassen Dunst davon, wo nun seine Klamotten genau gelegen haben könnten, da müsse Herr W. schon seine nicht mehr anwesende Mutter befragen. Sein Arbeitsspeicher lief auf Hochtouren und kündigte eine ernsthafte Überlastung an. Was, wenn er nun As statt Bs Klamotten in Cs Regal geräumt hätte? Und C dann nicht immer seine eigenen Klamotten aus dem Regal gegriffen hätte, sondern die von A oder eben die von B je nach Szenario. Er hätte zunächst As oder Bs Kleidung auf das Bett von C legen sollen, statt sie dummerweise gleich in Cs Regal einzuräumen, dass ja nun Bs Regal war, dann hätte C sich nicht unter Umständen versehentlich As oder Bs Garderobe schnappen können und sie zurück in ...

Er hätte auf jeden Fall zunächst A konsultieren müssen, um vorher herauszufinden, welches der Regale dieser das seinige nennt, und nicht einfach, ohne nachzudenken, gleich losstürzen sollen - hätte - hätte - hätte - dröhnte es in einem fort durch seinen Schädel. Und natürlich, hinterher ist man bekanntlich immer schlauer - oder auch nur etwas verzweifelter.

Chaos ist eine Illusion der Ordnung (Jerome Anders)

Zwei Tage später. Herr W. parkte den VW-Bus unterhalb der Wohngruppe. Im Inneren des Reithallen-Wohngruppen-Shuttles roch es intensivst nach Pferd. Den Duft von Ross und Freiheit wollte Herr W. ebenso wenig wie die Spurenelemente der Verdauungsendergebnisse der Reitstallboxenbewohner in die Wohngruppe gebracht und in den Zimmern verteilt wissen.

Viele kleine Hände streckten sich Herrn W. entgegen und reichten ihm ihre Jacken, die er ordentlich an die Wandhacken im Flur hängte. Dann wurde sich noch schnell des Schuhwerks entledigt. Klappt ja alles wie am Schnürchen, dachte Herr W. zufrieden. Auf Socken tappte nun einer nach dem anderen los, um sich auf die Suche nach seinem Zimmer zu begeben. Herr W. räumte derweil die überall herumliegenden Schuhe ordentlich an die Seite des Eingangsbereichs und eliminierte damit, ganz Profi, potenzielle Stolperfallen.

Die Mittagspause ging rum wie nix. Der Nachmittag brach an - ganz plötzlich! Es galt: auf zu neuen Theaterufern.

Playmobilmännchen mit Pferden und einem Zirkusdirektor stehen auf Ostergras vor einer kleinen Bühne

"Auf Kinners, beeilt euch mal ein bisschen! Wir sind schon ziemlich spät dran!"-"Sind alle da? Auf, auf! Moni wartet schon mit ihren Theaterleuten auf uns! Zieht euch Schuhe und Jacken an, und dann: ab die Post!"-"Wie, du weißt nicht, wo deine Schuhe stehen? Ich habe eure Jacken ordentlich da hinten an die Hacken gehängt und die Schuhe unter die Jacken an die Wand gestellt."-"Wie wo? Na, da hinten! Hey, nicht drängeln! Ja, es ist etwas eng hier."-"Ein wenig weiter rechts, da sind die Haken. Mehr rechts, nein das andere Rechts! Ich komme hier nicht vorbei. Ich kann dir nicht helfen! Noch ein Stück rechts, nein links, ja gut!"-"Wem sind denn hier die hellbraunen Schuhe? Was, du weißt nicht, wie deine Schuhe aussehen? Fühl mal, könnten das deine Schuhe sein? Von der Größe her müssten die dir doch ... Wie? Könnte sein, aber du bist dir nicht sicher? Probier mal an, Jan! - ich meinte Florian."-"Hey Johann, hast du eine Jacke von C&A?"-"Dann eben Johannes."-"Was C und A ist? So was, wie ein McDonalds für Klamotten."-"Hey, du hast deine Jacke gefunden? Super, wer sagt es denn! So, und wessen Jacken ist das hier?"-"Du willst mal fühlen?"-"Du findest deine Jacke auch nicht? Hattest du nicht die Blaue mit der Kapuze? Du glaubst blau, aber ohne Kapuze? Hier gibt es keine blaue ohne Kapuze."-"Wer hat seine Schuhe jetzt noch nicht? Wer weiß denn, wie seine Schuhe aussehen?"-" Ah, du hast sie gefunden, super - und du? Wer hat seine Schuhe jetzt immer noch nicht? O.k., hat jetzt jeder seine Schuhe?"-"Was, deine Schuhe passen dir auf einmal nicht mehr? Hat jemand auch noch Schuhgrößenprobleme? Jan und Florian, tauscht doch mal eure Schuhe."-"Jan? Wo Jan ist? Na, da drüben, hinter mmh - Moment gleich komme ich drauf - Jan, gib doch mal Laut."-"Kannst du mir deine Jacke mal beschreiben, fühl mal die, du hast sie! Super, läuft ja alles wie geschmiert - Jacken an?! Schuhe an?! Na also! Habt ihr auch eure schwarzen T-Shirts und die Trainingshose fürs Theater dabei? Moni möchte, dass ihr euch in der Aula umzieht! O.k., wer hat sein Zeug nicht dabei? Finger hoch! Upps, muss ich wohl vergessen haben zu erwähnen."-"Nein, nein! Halt! Wo wollt ihr denn auf einmal alle hin? Bleibt bitte, eure Schuhe sind - ach drauf geschissen!

O.k. Cut, die Szene ist im Kasten! Das reicht, wir machen jetzt erst mal eine Pause, nicht, dass Herr W. uns noch schlapp macht. Morgen geht es dann in der Sporthalle weiter.

* Pädagogischer Mitarbeiter im Internat
Fotos: Daniela Junge