Bewegungsförderung – ein Angebot an der blista

Klient und Trainer bei einer gemeinsamen Balance-Übung

Sophia Rafflenbeul | Fast alles in unserem Alltag hat mit Bewegung zu tun: vom Aufstehen aus dem Bett, übers Anziehen, Frühstücken und zur Schule, Arbeit oder Uni gehen bis hin zum abendlichen Zähneputzen. Aber nicht jede Bewegung ist uns gleich vertraut. Wer mal einen Tanzkurs besucht oder auf einem Pferderücken gesessen hat, spürt meist schnell, dass sein Körper über Knochen, Muskeln und Sehnen verfügt die er vorher kaum gekannt hat. Was oft zunächst so einfach erscheint, besteht bei genauerer Betrachtung meistens aus vielen und komplizierten Bewegungsabläufen.

Die Wahrnehmung der Umwelt und die des eigenen Körpers durch unsere Sinne haben auch einen erheblichen Einfluss auf unsere Bewegungsabläufe. Daher sind Bewegungserfahrungen immer auch Wahrnehmungserfahrungen. Für die Planung und Durchführung jeglicher Bewegungsabläufe ist dieser Wahrnehmungsvorgang von großer Wichtigkeit. Er trägt dazu bei, dass sich ein Körperschema – eine innere Landkarte unseres Körpers – entwickelt, welches uns dabei hilft, Bewegungen adäquat auszuführen. Es entwickelt sich dadurch auch eine Orientierung in und an unserem Körper (Körperorientierung), die uns dabei unterstützt, uns in unserer Umgebung sicher fortzubewegen.

4 Teilnehmende machein eine Übung im Liegen und balancieren dabei einen Tennisball zwischen den Füßen.

Personen, die in ihrer Entwicklung nur wenige Bewegungserfahrungen machen konnten, haben oft ein eher unklares Körperschema und teilweise Schwierigkeiten in der Körperorientierung. Dies wirkt sich auf die unterschiedlichsten Handlungs- und Bewegungsabläufe aus. Das heißt, es kann ihnen schwer fallen, wenn sie Handlungen ausführen sollen, die sie nicht kennen, z. B. an einer Sprossenwand hochklettern, einen Ball prellen, Inliner fahren, Fleisch schneiden oder mit dem Langstock einer Bordsteinkante folgen. Manche haben auch Probleme beim Erlernen neuer Wege oder der Orientierung im Allgemeinen.

Daher bietet die blista auch Bewegungsförderung an. Bewegungsförderung ist ein Angebot, das sowohl Elemente der Psychomotorik, als auch der Ergotherapie und Sportpädagogik in sich vereint.

Die Teilnehmenden stehen im Kreis und balancieren eine Tennisball auf Schultern oder Armen

Die Psychomotorik als Hauptbezugskonzept der Bewegungsförderung an der blista versteht sich als ein Konzept der ganzheitlichen, entwicklungsorientierten Förderung und Persönlichkeitsbildung. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man über die Arbeit mit Körperlichkeit und Bewegung Menschen in ihrer Entwicklung unterstützen kann. Psychomotorik will den Menschen anregen, anleiten und unterstützen, sich aktiv, selbstbestimmt, mit Freude und kompetent seine Umwelt zu erschließen, und ihn befähigen, entsprechend seiner Bedürfnisse auf diese einzuwirken und in ihr handeln zu können.

Die Psychomotorik nutzt das Medium Bewegung, um Zugang zum Menschen zu finden und ihn in die Lage zu versetzten, sich aktiv mit sich und den Dingen der Umgebung auseinanderzusetzen. Ohne Bewegung ist eine Wahrnehmung der Außenwelt nicht möglich.
Durch das komplexe Zusammenwirken von Bewegung, Wahrnehmung, Denken, Erleben, Fühlen und Gestalten in Interaktion mit Anderen soll eine Erweiterung der Handlungskompetenz des Einzelnen erreicht werden.

Handlungskompetenz ist als umfassende Fähigkeit zu handeln umschrieben und ist das Ergebnis der Fähigkeit mit sich (Ich-Kompetenz), der materiellen (Sach-Kompetenz) und sozialen Umwelt (Sozial-Kompetenz) aktiv und selbstbewusst umzugehen. Die Ich-Kompetenz wird im Rahmen der Bewegungsförderung durch Körpererfahrungen, die Sach-Kompetenz durch Materialerfahrungen und die Sozialkompetenz durch Sozialerfahrungen gefördert.

Die an der Psychomotorik orientierte Förderung berücksichtigt auch deren Förderprinzipien: Der Mensch mit seinen Bedürfnissen, Wünschen, Interessen und Neigungen steht im Mittelpunkt, sodass er Gelegenheit zur Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung sowie zur Mitbestimmung der Angebote hat. Weiterhin ist die Förderung ganzheitlich, kommunikations-, handlungs- und entwicklungsorientiert.

Die Angebote werden möglichst offen gestaltet und das individuelle Lernen wird berücksichtigt. So kann es je nach Gruppe sein, dass Fahrgeräte ausprobiert, geklettert, gelaufen oder Ballspiele gemacht werden, dass die ganze Gruppe sich mit dem gleichen Thema befasst oder jeder mal was für sich macht.

Da sich die Bewegungsförderung auch anderer Förderkonzepte als der Psychomotorik bedient, gibt es u. a. auch Angebote zur Rückenschule (z. B. Übungen zum richtigen Sitzen, Arbeitsplatzeinstellung, Übungen für die Rückenmuskulatur, etc.), im Schwimmbad (z. B. Verbesserung der Schwimmbewegungen, Erlernen neuer Schwimmbewegungen, Tauchen, Aquajogging oder Spiele im Wasser, etc.) oder zur Entspannung (z. B. Yoga, Phantasiereisen, Feldenkrais o. Ä.), die meist gerne angenommen werden. So entsteht ein vielfältiges, abwechslungsreiches Förderangebot.

Das Angebot der Bewegungsförderung richtet sich sowohl an Schülerinnen und Schüler der Carl-Strehl-Schule als auch an die Teilnehmer der Blindentechnischen Grundrehabilitation (BtG). Gerade für Späterblindeten bietet das Angebot der Bewegungsförderung oft eine Unterstützung, das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen wieder zu vergrößern und ein Stück Lebensfreude zu(rück) zu erwerben.

Meist findet die Bewegungsförderung in Gruppen statt, selten in einer Eins-zu-Eins-­Situation. Gemeinsam können dann Herausforderungen gemeistert, neue Angebote erprobt oder an individuellen Problemen gearbeitet werden.

Dabei werden die unterschiedliche Bedürfnisse, Stärken und Schwächen berücksichtigt. Daher gilt: Das Angebot der Bewegungsförderung kann für jeden etwas sein! Auch Bewegungskünstler und Aktive können auf ihre Kosten kommen wenn sie sich an neuen Situationen und Herausforderungen messen wollen!
[Fotos: Bruno Axhausen]