Blind Rowing

#what doesn't kill us makes us stronger 

Moritz Hagen ​| „Para-Rowing“- noch nie von gehört? Dann bitte ich nun um Ihre Aufmerksamkeit. Vor knapp zwei Jahren kam ich an die blista. Da mir schon sehr früh von dem tollen Ruderverein hier in Marburg berichtet wurde, entschied ich mich schnell, ein erstes Probetraining an der Steinmühle zu machen. Da mich die vielen neuen Eindrücke auf dem Wasser so sehr überzeugten, entschloss ich mich, in den Ruderverein einzutreten. 

Dieser Schritt sollte nicht der letzte in meiner Laufbahn an der blista gewesen sein. Denn heute, knapp zwei Jahre nach meinem Schulwechsel, bin ich nicht nur in der 13. Klasse auf einem sehr guten Weg zum Abitur, sondern kann mich „Vizeweltmeister“ nennen. Natürlich freut man sich über jedes Lob und jede Anerkennung, die man dafür erhält. Dies ist jedoch nicht der Grund, weshalb ich Ihnen hier meine Geschichte erzähle. Ich will vielmehr mit meiner Geschichte anderen Menschen zeigen, welche Möglichkeiten sie auch haben. Was ich damit meine? Viele Menschen nutzen nicht die Chancen, die sie im Leben bekommen - nur die Wenigsten sehen in ihrem Problem tatsächlich auch eine Chance. 

Moritz steht im Deutschlandtrikot bei strahlend blauem Himmel auf dem Steg

Und genau an diesem Punkt bin ich angelangt.

Es war aber nicht immer so glänzend in meinem Leben. Auch ich kam mit meiner Einschränkung lange Zeit nicht zurecht. Ich war frustriert, unglücklich und sah meine Erkrankung nur als Problem. Mit der Zeit hatte ich jedoch gelernt, diese für mich zu nutzen. Und so fiel in der 11. Klasse die Entscheidung, an die blista zu gehen. Und genau hier fängt nun meine Geschichte an.

Denn ohne meine Seheinschränkung wäre ich nicht an die blista gekommen. Ohne die blista hätte ich nie den Rudersport für mich entdeckt - das wahrscheinlich Größte in meinem Leben.

Nach etwa einem halben Jahr Rudertraining kam ich in den Para-Bundeskader. Dort absolvierte ich erste Trainingslehrgänge und fuhr Anfang 2023 mit auf ein Trainingslager nach Spanien. Es lief zwar noch nicht alles glatt, aber das war nach einem knappen Jahr Training noch nicht mein Anspruch an mich selbst. Ähnlich durchwachsen sollte auch die erste Leistungsüberprüfung im April verlaufen.

Diese „Rückschläge“ zogen mich jedoch nicht herunter. Ich wusste ja mittlerweile, mit Problemen umzugehen und sah das Ganze eher positiv. Die eigene Unzufriedenheit zu der Zeit gab mir eher die Motivation weiterzumachen, um besser zu werden. So trainierte ich konsequent, nahm an weiteren Trainingslagern teil und konnte mich verbessern.

So kam es ein paar Monate später dazu, dass ich mich im „Zweier-Ohne“, der schwersten Bootsklasse, für die internationale Para-Regatta in Paris qualifizierte. Da mein Bootspartner und ich auch dort überzeugten, sollte uns der Weg weiter nach Belgrad zur Weltmeisterschaft führen. Das hieß nun aber noch mehr Training als bisher. Durch zwei intensive Trainingslager von je zwei Wochen und dem üblichen Heimtraining wurden wir optimal auf die WM vorbereitet.

Neben dem eigentlichen Training brachten die Vorbereitungen aber auch ein paar Probleme mit sich. Mein Partner verletzte sich, sodass unser Training ein paar Tage nur eingeschränkt möglich war. Außerdem musste ich mich um die Beantragung einer Sondergenehmigung zur Einnahme eines Medikaments kümmern, worauf mich bisher niemand hingewiesen hatte, was in letzter Sekunde nochmal für eine Menge Aufregung sorgte. Und letztendlich wurde zur Anreise nach Belgrad mein Gepäck nicht mitgeliefert. Doch trotz all dieser Probleme gingen wir motiviert in den Wettkampf.

Moritz mit Partner Daniel auf dem Wasser während der WM
Moritz mit Partner Daniel

Der für Montag vorgesehene Vorlauf verschob sich aufgrund schlechten Wetters um einen Tag. Am Dienstag standen wir nun zur Mittagszeit bei leichtem Sonnenschein neben unserem Konkurrenzboot, den Ukrainern, an der Startlinie. Unsere ersten Schläge liefen alles andere als gut, sodass wir erstmal einen kleinen Rückstand hatten. Diesen holten wir schnell auf. Doch ab der Hälfte des Rennens zogen uns die Ukrainer davon und gewannen mit sechs Sekunden Vorsprung. Natürlich waren wir erstmal niedergeschlagen, wussten aber auch, dass noch nichts verloren war. Erst Freitag stand unser Finale auf dem Plan. Bis dahin hatten wir noch Zeit, unsere Fehler zu analysieren und nochmal auf dem Wasser gemeinsam trainieren zu können.

Der Start verlief diesmal deutlich besser, sodass wir uns die ersten Meter an die Spitze setzten. Doch nach 700 Metern attackierten die Ukrainer unseren Vorsprung und schoben sich an uns vorbei. Wie auch schon im Vorlauf bauten sie ihren Vorsprung bis ins Ziel weiter aus und gewannen das Rennen. Natürlich waren wir frustriert. Aber es war unsere erste WM und wir sind Vizeweltmeister geworden! Ein Sieg wäre natürlich super gewesen. Aber auch jeder Misserfolg hilft – seien es die Erfahrungen und Lehren oder die Unzufriedenheit als treibende Kraft. Und da wären wir auch wieder am Anfang meines Beitrags. Denn was mich nicht umbringt, macht mich stärker.

Ich habe mir einen Account auf Instagram erstellt, auf dem ich der Welt zeigen möchte, wieso ich stolz darauf bin, Parasportler zu sein (instagram.com/blindrowing_idc). Ich freue mich über alle Wegbegleiter*innen – egal ob Follower, Like oder eine mündliche Weiterempfehlung. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass es nicht das letzte Mal war, dass Sie von mir hörten.

#don't let yourself be limited


Der Hessische Behinderten- und Rehabilitationssportverband (HBRS)

fördert und unterstützt dankenswerter Weise den frisch gebackenen Vizeweltmeister im Para-Rudern, Moritz Hagen, nach Kräften bei seiner sportlichen Entwicklung.