Was steht mir wirklich?

Neues Angebot des blista Rehaberatungs­zentrums: Image- und Outfitberatung für Menschen mit Sehbehinderung und  Blindheit

Isabella Brawata und Ute Mölter | Viele Menschen wandten sich an das Reha-Beratungszentrum mit der Frage, ob wir sie darin unterstützen können, ihren individuellen und vorteilhaften Stil auch mit Sehbehinderung oder Blindheit zu finden. Das Team des Reha-Beratungszentrums bildete sich daraufhin intensiv fort und entwickelte ein neues Konzept, unsere Kunden nicht nur dahin gehend zu unterstützen, einen „guten Auftritt“ zu haben, sondern auch Sicherheit zu bekommen, den eigenen Stil selbstständig weiter zu entwickeln. Ewa Jankowska adaptierte als erfahrene Fachkraft für Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation ihre Kenntnisse als Stil-und Imageberaterin für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen.

3 Teilnehmende mit Dozentin, auf dem Tisch vor ihnen sind Farbmuster verteilt

Sie erstellt ein individuelles Profil, bei dem nicht nur eigene Wünsche und vorhandene Ausstattungen eine Rolle spielen. Unter anderem berät sie, welche Farben zum Haar- und Hauttyp einer Person passen und welche Regeln zu beachten sind, damit Kleidung und Körperbau aufeinander abgestimmt sind. Alle Teilnehmenden treffen anhand eigener Erfahrung und professionellem Feedback eine Entscheidung, wie ihr Auftritt zukünftig aussehen soll. Natürlich kommen nützliche Hilfsmittel dabei zum Einsatz und werden auch in der Anwendung erklärt und getestet. Um selbstständig die gelernten Informationen und Kompetenzen nutzen zu können, erhält jede oder jeder Teilnehmende ein barrierefreies ausführ­liches Exposé mit persönlichen Empfehlungen. Für den bequemen Kleiderkauf gibt es eine individuelle Farbkarte fürs Portemonnaie.

Die Dozentin erarbeitet mit einem Teilnehmenden vergnügt passende Farbmuster, während eine Dritte unterschiedliche Halsketten ausprobiert.

Um die Outfitberatung optimal auf die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Klientinnen und Klienten auszurichten, wurden blinde und sehbehinderte Mitarbeitende der blista mit einbezogen. Heutzutage ist es auch für sehende Menschen nicht mehr so einfach, stilvoll und angemessen gekleidet zu sein. Das Angebot an Kleidung und Accessoires ist riesig und die Regeln, wie man sich in bestimmten Situa­tionen kleidet, sehr durchlässig. Vor allem im Berufsleben gibt es mittlerweile mehr Anforderungen als einen Anzug oder ein Kostüm zu tragen. Abgestimmt auf Branche, Position und Leitbild des Unternehmens gestaltet sich der angemessene individuelle Auftritt am Arbeitsplatz.

Je nach Art, Ausprägungsgrad und Eintritt einer Sehbehinderung ergeben sich behinderungsspezifische Gründe, die eine Image- und Outfitberatung notwendig machen können. Da Sehbehinderung nicht gleich Sehbehinderung ist, erläutert Isabella Brawata aus Sicht einer geburtsblinden Person, warum eine Image- und Outfitberatung für Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit hilfreich sein kann:

Für mich ist die Herausforderung zu entscheiden, welche Kleidung, Frisur und Accessoires meinem Typ entsprechen, erheblich größer als für sehende Menschen, weil ich mich nicht im Spiegel ansehen kann. Außerdem kann ich die Rückmeldung meiner sehenden Umwelt bezüglich meiner äußeren Erscheinung durch wohlgefällige oder abfällige Blicke nicht wahrnehmen. Sehende Menschen holen sich für ihren Style Anregungen aus Fernsehen, Internet, Modezeitschriften und Ladenschaufenstern. Und sie achten auf das Outfit ihrer Mitmenschen. Durch das Beobachten Anderer lernen sehende Menschen außerdem, wie man sich zu welchem Anlass kleiden sollte. Diese Informationsquellen bleiben mir oftmals verborgen.

Mir fehlt eine Vorstellung von Farben. Ich weiß zwar, dass Schnee weiß, Blut rot und Gras grün ist, aber wie Farben aussehen, weiß ich nicht. Noch schwieriger ist es für mich, mir eine bestimmte Farbe an mir vorzustellen, also zu entscheiden, ob etwa Lila zu meinem Teint und meinen Haaren passt. Es ist für mich auch nicht einfach zu beurteilen, welche Farbkombinationen sich gut miteinander vertragen. Passt Zitronengelb zu grasgrün?

 Doch nicht nur die Auswahl geeigneter Farben stellt eine Herausforderung dar, auch ist es für mich nicht immer leicht zu beurteilen, wie die Kleidung geschnitten sein sollte, um meine Vorzüge zu betonen und meine Unzulänglichkeiten zu verstecken. Habe ich hübsche Beine, sodass ich enge Hosen anziehen kann oder sind meine Oberschenkel vielleicht doch etwas zu dick, sodass weite Hosen eventuell vorteilhafter wären?

Mir stellt sich auch des Öfteren die Frage, ob ich einem Anlass gemäß gekleidet bin. Vor allem im Berufsleben, aber auch bei wichtigen privaten Anlässen ist die Wahl einer der Situation angemessenen Kleidung entscheidend. Darf man auf der Arbeit im Minirock erscheinen? Was sollte man anziehen, wenn man zu einem Geschäftsessen eingeladen wird oder vor Publikum einen Vortrag halten soll? Wann ist man under- und wann overdressed?

Die Art, wie wir uns kleiden, ist eine Botschaft an unsere Umwelt. Ich weiß aber oftmals nicht, wie ich mich kleiden soll, um eine bestimmte Wirkung bei meinem Gegenüber zu erzielen. Was sollte ich tragen, um Seriosität auszustrahlen und was, wenn ich locker-lässig rüberkommen möchte?

Aus diesen Gründen bin ich auf den Rat sehender Menschen angewiesen, die mir bei der Entscheidung behilflich sind, welches Kleidungs- oder Schmuckstück an mir gut aussieht. Sich in Outfitfragen auf das Urteil Anderer verlassen zu müssen, bringt ein Problem mit sich: Über Geschmack lässt sich trefflich streiten.

Im Gegensatz zur subjektiven Meinung von Verwandten und Bekannten bietet eine Image- und Outfitberatung den Vorteil, dass nach objektiven Kriterien ermittelt wird, welche Farben zur Haut- und Haarfarbe und welche Schnitte zum Körperbau einer Person passen.

Sandra Grüssing und Britta Janaschke haben bereits an einer Outfitberatung teilgenommen und ihr erworbenes Wissen in der Praxis umgesetzt. Sie bekamen auch schon ein wertvolles Feedback für ihren gelungenen Auftritt. Die beiden und ein weiterer Teilnehmer waren sich schnell einig, dass nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern auch die individuellen Einzelberatungen gemeinsam durchgeführt werden sollen, da man sich auf Anhieb gut verstand.

Zunächst legte Frau Jankowska den Teilnehmenden verschiedenfarbige Tücher an, um mithilfe eines Spiegels festzustellen, wie die Haut auf unterschiedliche Farben und Helligkeitsstufen reagiert. Mit „reagieren“ ist gemeint, ob die Haut in Kombination mit einem bestimmten Farbton eher vorteilhaft oder nachteilig wirkt. Frau Grüssing freute sich, weil sich ihre Intuition bestätigte. Sie konnte früher Farben sehen und hat von Frau Jankowska erfahren, dass zu ihr die Farben passen, die sie immer schon mochte. „Mir stehen Weinrot, Olivgrün und Türkisblau. Frau Jankowska baute uns Eselsbrücken zu unseren Farben. Bei mir sagte sie: Du bist am Meer, trinkst Wein und isst Oliven.“ Frau Janaschke erfuhr, dass sie einen warmen Hautton hat. „Ich habe bislang keinen Schmuck getragen, aber durch Jankowskas Beratung wurde ich ermutigt, auch mal Schmuck anzulegen, da ich nun weiß, dass mir Goldschmuck gut steht, weil er im Gegensatz zu Silberschmuck zu meinem Hautton hervorragend passt.“

Die Teilnehmenden erhielten Farbkärtchen, auf denen die Farben, die ihrem Typ entsprechen, aufgedruckt sind. Dadurch ist es ihnen möglich, mit der ihnen eigenen Farbpallette in ein Bekleidungsgeschäft zu gehen und gezielt Kleidungsstücke aus diesem Farbspektrum zu verlangen.

Dann wurde der Körperbau der Teilnehmenden analysiert und sie erhielten allgemeingültige Regeln, wie Körperproportionen, Farben und Schnittmuster zusammenhängen. Mithilfe dieser Prinzipien können Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit selbst entscheiden, ob Kleidungsstück und Körperform miteinander harmonieren. „Ich habe zum Beispiel gelernt, dass für Menschen mit kurzen Hälsen Kleidungsstücke mit V-Ausschnitt geeignet sind, weil sie den Hals optisch verlängern, ebenso wie Halsketten“, berichtet Frau Grüssing, „Von Frau Jankowska erhielten wir viele solcher hilfreichen Hinweise, die ich bereits während einer Einkaufstour in die Praxis umgesetzt habe.“

Die Dozentin steckt einer Teilnehmenden, die Halsketten ausprobiert, die Haare hoch

Frau Grüssing wird gerne auf Frau Jankowskas Angebot zurückgreifen, sie beim Kleidungskauf für ein Bewerbungsgespräch zu begleiten und zu beraten. Frau Janaschke möchte demnächst mit Frau Jankowska einen Friseursalon aufsuchen, um ihre Haare aufzupeppen. „Außerdem werde ich meine Haare künftig eher hochstecken, weil es besser aussieht, als wenn ich sie offen trage.“
[Fotos: Eva Jankowska]

Informationen zur Outfitberatung erhalten Interessierte unter folgendem Link: https://weiterbildung.dvbs-online.de/suchergebnisseite/text/outfitberatu..., Ansprechpartnerin ist Isabella Brawata, E-Mail: weiterbildung@blista.de, Telefon: 06421 606-500