„Das ist ja höchste Kunst!“
Das Medienzentrum zeigt seine Talente
Text und Fotos: Lea Rudow * Gespannt wartete ich vor dem Medienzentrum der Carl-Strehl-Schule, bis sich die Tür öffnen und die Fortbildung „Ein Medienzentrum zum Anfassen“ im Rahmen des Leistungsentgelts beginnen sollte. Mir wurde angekündigt, dass ich hier alles über barrierefreie Gestaltungen, taktile Abbildungen und Produktionstechniken erfahren werde. Seit einem Monat bin ich nun Praktikantin in der Öffentlichkeitsarbeit der blista und freue mich deshalb, vielleicht aber auch wegen meines nebenher laufenden pädagogischen Studiums, weiteres interessantes Wissen zum Thema Blindheit und Sehbehinderung wie ein Schwamm aufsaugen zu können.
Ich nutzte die Zeit auf dem Flur und machte mich schon einmal mit den Kollegen und Kolleginnen bekannt, die auch schon dort waren – bis uns Timo Wennesz, Leiter des Medienzentrums, endlich lächelnd hereinbat. „Schaut euch ruhig schon mal um“, lud er uns ein. Ich war überrascht, wie viele Abbildungen und Modelle für den Unterricht dort gelagert wurden. Es waren mehrere tausend, wie ich später von Herr Wennesz erfuhr. „Das sammelt sich mit der Zeit so an“, bemerkte er daraufhin, als er die erstaunten Gesichter in der Gruppe sah. Von Geografie über Mathematik bis hin zur Biologie, jedes Unterrichtsfach war hier vertreten. Nachdem wir einen ersten Überblick über das Medienzentrum erhascht haben, führte uns Herr Wennesz in die Werkstatt, mit der das Medienzentrum eng kooperiert. Es war gerade Sylvia Schwenger, Leiterin der Werkstatt, vor Ort. Sie nahm sich ein wenig Zeit und bot uns einen Einblick in ihre Arbeit. Neugierig betasteten wir die angefertigten Matrizen und die daraus entstandenen taktilen Pläne.
Herr Wennesz erklärte, wie diese Pläne zustande kamen: mit dem sogenannten Tiefziehverfahren. Auf die fertige Matrize wird eine Folie gelegt, die in einer Tiefziehmaschine erhitzt und anschließend durch Erzeugen von Vakuum nach unten gezogen wird. „Das ist ja höchste Kunst!“, rief eine Teilnehmende anerkennend, als sie eine Matrize aus Holz näher betrachtete.
Der nächste Stopp unserer Erkundungstour war das 3D-Labor, der „modernste Bereich, was die Technik angeht“. Der Geruch von warmem Plastik schoss mir in die Nase. Es gibt vier 3D-Drucker in dem Labor, drei davon druckten fleißig vor sich hin. Einige stutzten über die verbleibende Druckzeit bei einem der Drucker: 6 Stunden und 53 Minuten. „Ich dachte, das geht in ein paar Minuten“, bemerkte der einzige Mann in der Gruppe.
Wir zogen weiter in einen Besprechungsraum, wo mein persönliches Highlight der Fortbildung auf uns wartete. Die ganze Gruppe setzte sich Augenbinden auf. „Wir begeben uns jetzt auf eine Traumreise“, sagte Herr Wennesz vielversprechend. Er legte allen zwei taktile Pläne vor: Eine Legende und eine Landkarte. Zunächst gingen wir tastend die Legende durch: Geriffelte Flächen bedeuten Wasser, glatte Flächen Bergland, raue Flächen Wüste, usw. Dann nahmen wir uns die Landkarte vor. Nur über unser Tastvermögen sollten wir unseren von Herr Wennesz angesagten Reiseweg finden. Dieser ging beispielsweise über Flughäfen, Palmeninseln und Obstplantagen, Schiffe und Lehmstraßen. Gar nicht so einfach, denn neben erheblichen Orientierungsschwierigkeiten kam ich auch noch leicht vom richtigen Weg ab. Wieder sehend stellte ich fest, dass die Landkarte gar nicht so unübersichtlich und verworren war, wie ich sie mir noch unter der Augenbinde vorgestellt habe.
„Es ist wichtig, die Unterrichtsmaterialien auf das Wesentliche zu reduzieren und das Wesentliche so deutlich wie möglich zu machen“, fasste Timo Wennesz zusammen. Wir stimmten alle nickend zu, noch immer beeindruckt von den Schwierigkeiten des Ertastens und den Leistungen, die die Schüler der Carl-Stehl-Schule fast täglich erbringen. Und schon nahm die Fortbildung ein Ende, die zwei Stunden sind wie im Fluge vergangen.
Seit bereits fünf Jahren bietet die blista ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Fortbildungen an, die das leistungsbezogene Entgelt und die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) miteinander verbinden. In dem vielfältigen Angebot kriegen die Teilnehmenden einen spannenden Einblick in Bereiche wie Bildung, Lebensgestaltung, Beratung, Rehabilitation und Medienversorgung. All diese Themenbereiche sind wichtig für die Teilhabe von sehbehinderten und blinden Menschen an der Gesellschaft. Die Mitarbeiter können sich durch die sich neu bietenden Perspektiven, aber auch durch das Auffrischen von bereits Gelerntem persönlich und betrieblich weiterentwickeln und die BRK somit noch besser umsetzen und unterstützen.
Die Vereinbarung vom Leistungsentgelt und der BRK ist bundesweit sowohl einzigartig als auch innovativ und gilt als „Gutes Beispiel“ in dem Hessischen Aktionsplan für die Umsetzung der BRK. Sie zeigt, wie gut sich Mitarbeiterführung und Engagement für Inklusion verknüpfen lassen.
[*Praktikantin Öffentlichkeitsarbeit]