Vernissage von Mirja Wellmanns „Hörwelten”

Mirja Wellmann präsentierte in der Ausstellung unter anderem vier Hörhelme aus Kunststoff, zwei davon durch feine Gravuren verziert.

Zwischen Hörnestern und Hörkabinen

Birthe Klementowski. Im Rahmen des Louis Braille Festivals startete am 1. Juli 2016 mit „Hörwelten“ eine Werkschau der Klangkünstlerin und Bildhauerin Mirja Wellmann. Bis zum 18. August lud der Marburger Kunstverein dazu ein, Arbeiten zu erleben, die das Phänomen des Hörens zum Thema haben.

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) war diese Ausstellung eine Koproduktion zwischen der Künstlerin, dem Kulturamt Marburg und der blista. Dabei wurde großen Wert darauf gelegt, die Ausstellung für Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit barrierefrei zu gestalten. Ein taktiler Plan und eine Leitlinie führten durch die Werke. Wellmann präsentierte in dieser ­Ausstellung fünf neue Arbeiten, die Hör­erfahrungen taktil erfahrbar machten.

Rund 50 Kunstinteressierte lockte die Vernissage in den Hallen des Kunstvereins an. Zur Begrüßung sprachen die Marburger Kulturdezernentin Dr. Kerstin Weinbach und blista-Direktor Claus Duncker. Werner Meyer, Direktor der Kunsthalle Göppingen, gab eine Einführung in die Arbeiten Mirja Wellmanns. Seit vielen Jahren schon untersucht sie das Phänomen des Hörens. An Hörhelmen aus buntem Kunststoff und in Hörkabinen konnten Besucherinnen und Besucher eigene Erfahrungen mit dem Hör-Raum machen und neue Sinneseindrücke sammeln. Teil der Vernissage war auch eine zehnminütige Hör­session, bei der die Besucherinnen und Besucher zu Papier bringen konnten, was sie jeweils auf dem rechten und dem linken Ohr wahrnahmen.

Während der gesamten Ausstellung luden schwarze Hocker mit Stift und Papier dazu ein, sich Zeit zu nehmen und die Geräusche des Raums zu erkunden. Blinde und sehbehinderte Kunstbegeisterte konnten ihre Hörprotokolle entweder direkt über eine Punktschriftmaschine eingeben oder auf einer Schreibtafel mittels eines Griffels auf einer speziellen Prägefolie. Anschließend wurden die Hörprotokolle an einer großen Wand zur Schau gestellt und komplettierten somit das Konzept der barrierefreien und interaktiven Kunstausstellung.

Ein Stück stille Gemeinschaft – ein Erfahrungsbericht zu Hörwelten

Monika Häusler. Der Grundgedanke der Künstlerin, die Wahrnehmungsbereiche "Sehen", "Hören" und die Umsetzung von Gehörtem in Sprache oder in eine Zeichnung zusammenzubringen, hat mir gut gefallen. Ich erkenne darin ein Streben nach Miteinander, weg von Trennung und Wertung - etwas, was unsere Gesellschaft dringend nötig hat. Die Aufforderung an die Besucher, gemeinsam in die Stille zu gehen, zu lauschen und die Geräusche, die jeder von uns wahrnimmt, in der einen oder anderen Form wiederzugeben, schafft ein Stück stille Gemeinschaft und führt zum spielerischen Schärfen des Hörsinns, zum kreativen Zeichnen oder Sprachgebrauch.

Mirja Wellmann präsentierte in der Ausstellung unter anderem vier Hörhelme aus Kunststoff, zwei davon durch feine Gravuren verziert. Zu hören waren unter anderem Geräusche in der Nähe wie das Rascheln von Kleidungsstücken, Räuspern, Husten usw., in der Ferne Fahrgeräusche von Auto, Bus oder Motorrad, menschliche Stimmen und Vogelgezwitscher.

Werner Meyer, Direktor der Kunsthalle Göppingen, während seiner Einführung in die Arbeiten Mirja Wellmanns

Gegen Ende der Veranstaltung hatte ich viel Spaß dabei, einige der in Worten niedergeschriebenen Hörprotokolle in Blindenschrift umzusetzen. Manche Teilnehmer beschrieben eher sachlich, was sie in den zehn Minuten gehört hatten, andere gaben Geräusche durch lautmalerische Worte wieder, so z.B. Husten oder Niesen durch "Öcha, Öcha". Auch gab es ein reges Interesse an der Punktschrift, wie die Blindenschrift auch genannt wird.

Ich freue mich, an dieser Vernissage teilgenommen zu haben und wünsche der Künstlerin noch viel Erfolg bei ihren weiteren Arbeiten.