Menschen: André Tolzmann

Portraitfoto von André Tolzmann, er trägt die Kopfhörer heruntergeschoben und lächelt

„Wie ein richtig ausgefüllter Lottoschein“

Von Thorsten Büchner

Wenn André Tolzmann auf das gehört hätte, wozu ihm manche seiner Lehrkräfte zu Schulzeiten geraten haben, säße der 33-Jährige heute nicht in den Hörbuchstudios der DBH. „Ich war schon als Kind von allem begeistert, das mit Musik, Klang und Tontechnik zu tun hatte“, erinnert sich der gebürtige Ostfriese. „Mein Traum war es immer schon, als Tontechniker zu arbeiten.“ Davon rieten ihm aber einige seiner Lehrkräfte ab, „weil die sich nicht vorstellen konnten, wie man das mit Sehbehinderung bewerkstelligen soll“, erinnert sich Tolzmann. Er hielt an seinem Traum und seinem Hobby fest, schlug zunächst eine andere berufliche Richtung ein, von der er aber auch noch bei seiner jetzigen Arbeit profitiert.

Nachdem er an der höheren Handelsschule in Hamburg sein Fachabitur abgelegt hatte, kam er im Jahr 2006 an die blista, um hier die dreijährige Ausbildung zum Informatikkaufmann in Angriff zu nehmen. Nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung war Tolzmann dann eineinhalb Jahre selbstständig im IT-Bereich unterwegs, programmierte beispielsweise das Online-Angebot eines Marburger Lieferservice. „Und dann war es plötzlich so, als würde mir jemand einen ausgefüllten Lottoschein in die Hand drücken und sagen: Gib ihn ab! Es werden alle Zahlen richtig sein“, sagt Tolzmann über den Moment als er im Newsletter eines Blinden- und Sehbehindertenverbandes die Ankündigung eines neuen Pilotprojekts las. Eine zweijährige Ausbildung für jeweils eine blinde und eine sehbehinderte Person im Bereich Tontechnik wurde von der „Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte“ angeboten. „Da wusste ich sofort, dass ich mich dort bewerben muss.“

Während der zweijährigen Ausbildung war Tolzmann dann unter anderem beim Mannheimer Radiosender „Radio Regenbogen“ tätig. Neben vielen Praxiserfahrungen bestand die Ausbildung aus breit gefächerten, theoretischen Inhalten Tontechnik, Elektrotechnik, Musikwissenschaft und Veranstaltungswesen.

Doch die Geduld und Hartnäckigkeit von André Tolzmann, in seinem Traumberuf zu arbeiten, wurde weiterhin auf die Probe gestellt. Über zwei Jahre war er nach seiner Tontechnik-Ausbildung noch als Assistenzkraft für einen blinden Freund tätig, bis er dann im Frühjahr 2016 auf ein Stellengesuch der blista aufmerksam wurde. Diese suchte ressortübergreifend einen Audiotechniker.

Seit August 2016 bearbeitet er nun in der DBH die an der blista aufgesprochenen Hörbücher, schneidet Interviews für das Hörmagazin „Kopfhörer“ und erarbeitet akustische Lösungen für verschiedene Anfragen und Kundenwünsche. Besonders gerne erinnert sich Tolzmann an die Zusammenarbeit mit dem Münchener Stadtmuseum „für das wir einen Audioguide zu einer Bilderausstellung vertont haben.“ Die Vielfältigkeit schätzt Tolzmann besonders an seiner Arbeit in der DBH und an der blista generell. „Von der klassischen Aufnahme eines Hörbuchs bis hin eben zu einem akustischen Museumsführer ist alles dabei.“

Spannende Monate liegen hinter Tolzmann und der gesamten Hörbücherei. Seit Mitte September befinden sich die vier Aufnahmestudios im Gebäude „Am Schlag 8“. „Ich war für die technische Koordination und Durchführung des Umzugs zuständig. Es war faszinierend, gemeinsam mit dem gesamten Team der DBH und den vielen Gewerken aus anderen blista-Abteilungen so eine logistische Herausforderung anzupacken und zu bewältigen. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen und hören lassen.“

Neben der Produktion von Hörbüchern und Audiobeiträgen wirkt André Tolzmann ton- und lichttechnisch bei Events mit. Keine blista-Veranstaltung, ob beim Sommerfest oder zu offiziellen Anlässen, bei der man ihn nicht kabelverlegend und Mikrofone einrichtend über die Bühne huschen sieht. „Die Veranstaltungstechnik war und ist ein weiterer Bereich, welcher von Anfang an eine große Bedeutung für mich hatte.“

Daneben betreut André Tolzmann auch die akustischen Hilfsmittelsysteme für die hörsehbehinderten Schülerinnen und Schüler. „Da hat sich alleine in den letzten Jahren enorm viel getan, sodass wir jetzt im Unterricht optimal technisch unterstützen können. Damit der Sound für das Abitur stimmt.“

Der vierte Bereich, der in Tolzmanns Arbeitsalltag einen immer größeren Raum einnimmt, ist das Thema „Barrierefreie Software und Dokumente“. Er hat dazu, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen, Schulungen konzipiert, erstellt barrierefreie PDF-Dokumente und unterstützt bei zugänglichen Lösungen für Webseiten. „Da hilft mir natürlich meine Erstausbildung als Informatikkaufmann sehr.“ Rückblickend ist André Tolzmann froh, „dass ich meinen Traum stets verfolgt habe. Am Ball bleiben lohnt sich, auch wenn man ab und zu gegen Widerstände angehen muss. Selbst wenn jemand wie Stevie Wonder keine Flugzeuge alleine fliegen kann, so kann er doch seinen Traum dahin gehend verfolgen, alleine Flugzeuge zu bauen“, so das Fazit seines nicht immer geraden Weges hin zum Traumberuf.

In seiner Freizeit beschäftigt er sich – was sonst? – mit Musik „und allem, was gut klingt.“ „Ich liebe es einfach, Hörwelten zu erschaffen.“