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Heute: Erfahrungen

von Winfried Thiessen

Noisulkni. Du kannst es irgendwann vorwärts und rückwärts runterbeten.

Inklusion. Steht jetzt auf fast allem drauf. So was von inflationär. Meine Meinung. Mein Bekannter, der Herr W, der ist ja so was von der Inklusion bedient. Jetzt willst du sicher wissen, warum. Pass auf! Du kennst das ja selbst, kaum ist der Frühling da, zieht´s Alt und Jung in Scharen ins Freie. Die sehbehinderten angehenden Abiturient*innen in dem Institut, in dem mein Bekannter, der Herr W, arbeitet, machen da natürlich keine Ausnahme, absolut nicht. Sonst sitzen sie Tag und Nacht vor ihren Computern, wie festgeklebt, quasi Pattex unterm Hintern. Jetzt die ersten Sonnenstrahlen und gleich geht´s los, ohne Vorwarnung, raus, einfach so unters gemeine Volk gemischt. Praktisch Inklusion by doing it yourself.

Da fragst du dich natürlich nach dem Lösungsmittel. Jetzt ist es aber so, dass beim Thema Alkohol im Institut ja der Spaß aufhört, obwohl er für die angehenden Abiturient*innen eigentlich dann erst richtig anfängt. Großes Problem, wenn der Nachwuchs nach Teilhabe und Teilnahme strebt in der warmen Jahreszeit. Bereitet dem Direktor, selbstredend, vermehrtes Kopfzerbrechen, die Inklusion könnte ja auf ihn und seine Einrichtung zurückfallen. Weißt du ja selber, wie schnell der weg ist, der gute Ruf: „Die armen Blinden!“ - wenn man sieht, wie die sehbeeinträchtigten, angehenden Abiturient*innen, noch ganz bleich vom langen Winter, zusammen mit ihren braungebrannten Kumpels Jim Beam, Jack Daniels, Johnny Walker und Herrn Jägermeister schwer bepackt an die Ufer der Lahn ziehen, um dort ihre mitgebrachten Würsteln und Steaks zu bruzzeln.

Du glaubst es nicht, aber da steht jetzt Grill an Grill. Volksfest, quasi. Die ganze Uni treibt es auf die Wiesen am Fluss und die angehenden Abiturient*innen mit ihren Seheinschränkungen mitten drin. Teilhabe und Teilnahme. Inklusion. Links von ihnen wird getrommelt. Rechts von ihnen eine Gitarre gequält. Aber du könntest die Verantwortlichen nicht einmal zur Rechenschaft ziehen, denn du kannst vor lauter Qualm die eigene Hand vor Augen nicht mehr erkennen. Das ist ja jetzt für die Blindeninstitutsbewohner*innen nicht so wirklich ein Problem, das konnten sie ja noch nie so richtig – also die Hand vor Augen erkennen. Du darfst natürlich kein Gesundheitsapostel sein, weil absoluter Feinstaubalarm. Da würde es jeden Jogger nach wenigen Metern aus seinen Markenlatschen hauen, so ein Dunst ist das überall. Und klar, da fließt auch Alkohol links und rechts von den angehenden Abiturient*innen und in deren Mitte, logisch. Die braungebrannten Jungs sind ja nicht umsonst mitgekommen - die hat man sich was kosten lassen. Jetzt denkst du vielleicht, das Beste wäre es, einfach den Mantel des Schweigens drüber, weil das mit dem Alkohol ist ja im Institut immer so ein heikles Thema. Es ist ja nun mal so: Die jungen sehbeeinträchtigten Menschen sollen ja neugierig sein, im Grunde, also unbedingt - und ihre Erfahrungen machen, Dinge ausprobieren, damit sie sich normal entwickeln, aber in dem Alter sind die ja meist nur interessiert an den Erfahrungen, vor denen sie gewarnt werden: Alkohol! Klar: total kurzsichtig - wenn sie überhaupt noch was sehen können.

Supermarktregale mit Kaugummi und verschiedenen Alkoholika, wie Liköre.

Und da stößt so ein Finger-weg-von-dem-Zeug! von meinem Bekannten, dem Herrn W, regelmäßig auf taube Ohren bei ihnen. Du siehst: Ganz schlimm –schon nix sehen und jetzt auch nix hören … wollen die von Herrn W! Ganz klarer Fall von Mehrfachbehinderung! Und der Mantel des Schweigens? - Da hast du die Rechnung ohne die angehenden Abiturient*innen gemacht! Die werden ja mit jedem Schluck schwerhöriger. Und du kennst das ja selber von dir, wenn du nicht mehr so gut hören kannst, redest du automatisch lauter, weil du denkst, das muss dem anderen auch so gehen. Du willst ja nur nett sein, deinem Mitmenschen die Möglichkeit geben, an deinen Gedankengängen teilzuhaben. Inklusion eben – mit einbeziehen. Alle Welt bekommt jetzt mit, dass die Akademiker*innen im Werden an den Lahn-Auen feiern. Die sitzen da ja zusammen mit denen, die die Reifeprüfung schon hinter sich haben. Seite an Seite mit den Studierenden der Universität, und da ist es als angehende Abiturient*innen doch völlig normal, wenn du dich schon mal vorab informierst, wie das Studentenleben so ist. Und ob dein Schädel überhaupt geeignet ist für die ganzen Herausforderungen des Unialltags. Und du wirst es nicht glauben, da setzt sich einfach so ein Germanistikstudent zu den Noch-nicht-Akademiker*innen und inkludiert sich ungefragt und sagt zu denen: Ist euch überhaupt schon mal aufgefallen, dass die schönsten Dinge im Leben mit Jott anfangen – Johnny, Jim, Jack, Jägermeister …? Hat sich dadurch zwei Flaschen Jever verdient. Bildung lohnt sich eben. Aber das ist ein völlig anderes Thema.

Mein Bekannter, der Herr W, kannst du dir sicher vorstellen, der würde sich gerne abends dann irgendwann auch mal in Ruhe hinlegen, ist ja nicht mehr der Jüngste, aber das geht nicht wirklich – ist ja Wochenende und die angehenden Abiturient*innen inkludieren und das kann dann auch schon mal später werden. Jetzt fragst du dich sicher nach der Ursache? Ist dir schon mal aufgefallen, dass die die Supermärkte in Marburg am liebsten in Ufernähe bauen? Gut für die angehenden Abiturient*innen: quasi barrierefrei. Brauchen die nicht so lange suchen, weil, das Regal mit den Jotts ist ja in fußläufiger Nähe, also quasi in Griffweite, der Nachschub für den Nachwuchs. Musst du nicht lange suchen. Gehst einfach zur Supermarktkasse und da steht er schon, der Nachschub, zwischen Kinderschokolade und Hubba-Bubba-Kaugummi. Jetzt fragst du dich sicher, was der Schnaps gerade dort zu suchen hat? Fragst du dich nicht? Solltest du aber ruhig mal!

Supermarktregale mit Kaugummi und verschiedenen Alkoholika, wie Liköre.

Jetzt sind die angehenden Abiturient*innen ja auch nicht dumm, die streben ja die Reifeprüfung an und zu verschenken haben die auch nichts. Die wissen genau, dass das Institut auf ihre Kumpels Jack, Johnny und Jim nicht gut zu sprechen ist - und da ist ja dann der Oberaufseher Herr W, diese Spaßbremse. Die sehen ja nicht das Problem in dem übermäßigen Genuss der Jotts, sondern in meinem Bekannten, dem Herrn W, der immer diskutieren und konfiszieren will, was rein rechtlich ja ihnen gehört, aber in der WG nun mal nichts zu suchen hat. Nun denken sich einige: Sicher ist nur das, was du in der Birne hast! Da siehst du wieder: Bildung unheimlich wichtig! Die leeren Flaschen lassen sie dann einfach auf der Wiese liegen, quasi aus den schwachen Augen aus dem vernebelten Sinn. Andererseits, versuch´ du mal in stockfinsterer Nacht einen Mülleimer zu finden. Jetzt müssen sie natürlich auf dem Heimweg vermehrt obacht geben, dass sie nicht über die Hinterlassenschaften ihrer Wiesennachbarn stolpern, denn bei Tageslicht betrachtet … quasi Mülldeponie. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.   

Jetzt ist es schon ein hartes Schicksal – also, für meinen Bekannten, wenn die angehenden Abiturient*innen, vollgepumpt mit Würstchen, Steaks und ihren Erfahrungen, heimkommen und er sie dann später auch schon mal aufwischen darf - die Erfahrungen, um halber zwei in der Nacht. Ist es denn da verwunderlich, wenn er von dem ganzen Gerede über Inklusion, über Teilhabe und Teilnahme, die Nase gestrichen voll hat!? Aber wem erzähl' ich das? 

* Das ist, liebe besorgte Pädagog*innen, eine Darstellung im satirischen Zusammenhang, somit durch Artikel 5 GG geschützt und dementsprechend auch nicht gegendarstellungsfähig.