Die Wahrheit über Krakau

Der Schüleraustausch mit Polen – ein Erfahrungsbericht

Bianca Pavil, Jahrgangsstufe 11 | Für viele gilt Krakau (Kraków) als historische Stadt, die auf Mythen und Heldensagen erbaut wurde. Der Drache ist Hauptbestandteil dieser Sagen. Und ja, die Krakówia sind mehr als nur begeistert, ja sogar fanatisch, wenn es um ihr geliebtes Stadtmaskottchen geht. Auch die Stereotype, die Polen würden wissen, wie man eine richtige Party schmeißt, sind mehr als nur wahr, wobei alkoholische Getränke und Musik nicht fehlen dürfen! So wie in jedem Land, gibt es auch in Polen sowohl nette, gastfreundliche, ja sogar zu gastfreundliche Menschen, als auch strenge, durchaus ziemlich angsteinflößende, die Gott bewahre, man lieber nicht verärgern sollte!

    Die polnisch-deutsche Schüler*innen-Gruppe vor dem großen bronzenen Drachen ("Smok"), der unterhalb der Wawelburg regelmäßig Feuer speit.

    Doch dies sind nur minimale Einblicke: Der Anflug nach Krakau oder besser gesagt, die Stunden davor, waren hektisch! Fast wären wir in Norwegen gelandet, was wahrscheinlich nicht viele von uns gestört hätte, da sowohl wir „die Auserkorenen“, als auch unsere Lehrer*innen (die wir übrigens bei dieser Gelegenheit auch mal als Menschen kennenlernen durften), ziemlich aufgeregt waren. Doch nach ungefähr einer Stunde sind wir in Krakau gelandet und hatten unsere Wetter-Apps verflucht, da wir regelrecht um das meteorologische Geschehen in Krakau betrogen und in den ersten Stunden unseres Aufenthaltes ein wenig frieren mussten. Doch dies wurde schnell von der Wärme des Empfanges abgelöst, die uns von den polnischen Deutschlehrerinnen Anna Augustin und Bozena Kula, entgegengebracht wurde. Bei der Schule angekommen, strömte uns der Geruch von frisch zubereitetem Essen entgegen, wobei wir von einer Gruppe schüchterner, ja ein wenig ängstlicher Schüler*innen begrüßt wurden. Im Nachhinein beruhte die Angst wohl auf Gegenseitigkeit. Doch dafür war keine Zeit: Wir wurden von unseren zugeteilten polnischen Partner*innen in unsere Zimmer geführt, wobei auf beiden Seiten der verzweifelte Versuch ein Gespräch zu führen, sei es aufgrund der Aufregung oder der nicht vorhandenen English-Kenntnisse, gescheitert war. Beim folgenden Mittagessen haben wir uns noch unsicher am Tisch versammelt und haben das Essen auch genossen. Für viele sollte dieses Schulmittagessen das letzte „gute“ sein. Die Lehrer*innen und Schüler*innen der polnischen Schule haben uns sogar gebeten, nicht den Anschein zu wahren: Sie wissen, wie selten ein „leckeres“ Mittagessen in der Schulkantine serviert wurde.

    In den folgenden Tagen haben wir uns immer mehr in das Unbekannte gewagt und mit Händen und Füßen versucht, uns anständig zu unterhalten. Google Translate war unser bester Freund dabei. Die Stadtbesichtigung schien für die polnischen Schüler*innen eher eine Tortur, als dass es sie interessiert hätte, was mir im Nachhinein auch bestätigt wurde. Jedoch ist Krakau eine der wunderschönsten Städte Polens, wenn nicht überhaupt! Die Flora und Fauna sind atemberaubend, der Menschentrubel eine wunderbare Abwechslung, die Architektur ein wahrer Traum und das Nachtleben ein Erlebnis für sich. Der erste Abend in Polen wurde von Musik und viel Lachen begleitet, wobei das Zusammenkommen von polnischen und deutschen Schüler*innen ein Geschenk war. Wir mussten nicht mit Worten kommunizieren. Der Ausdruck der Freude und der Zufriedenheit auf unseren Gesichtern, wenn ein bekanntes Lied gespielt oder die Musik lauter gedreht wurde, war mehr als genug. Solche Abende dieser Art waren die ganze Woche über für die Schüler*innen das Highlight und für die polnischen Betreuer*innen der Tiefpunkt des Tages! An einem dieser Abende kehrten wir kurz vor Elf immer noch in Partystimmung auf unsere Zimmer zurück, als uns eine verzweifelte Betreuerin entgegenkam und aufgeregt „It’s quarter past ten! It’s time for silence!“ entgegenrief.

    Die Gruppenarbeit, in der deutsche und polnische Schüler*innen zusammen ein Bild erstellen mussten und sich künstlerisch ausdrücken durften, wurde von einer viel zu enthusiastischen, ein wenig „fundamentalistischen“ Lehrerin überschattet, die jede zweite Minute streng auf unsere Bilder blickte, ein aufgeregtes Gespräch mit ihren Schüler*innen auf Polnisch führte, bevor sie die Bilder zerstörte und uns verzweifelt zu erklären versuchte, dass unsere künstlerische Vorstellung nicht ihrer entspräche, unsere Drachen und Schäfchen seien nicht richtig platziert oder Blümchen wären für die historische Darstellung nicht angemessen.

    Die Besichtigung des Wawel-Schlosses war mehr als nur interessant. Die Geschichte Polens ist eine Flut an Wissenswertem und die kunstvoll gebauten Gebäude ein Blickfang. Der Empfang im Konsulat war mehr als herzlich, wobei sich viele von uns sehr wichtig gefühlt und die Gelegenheit nicht ausgelassen haben, Fotos zu machen oder von dem exquisiten Essen zu probieren, was uns angeboten wurde. Die Besichtigung der Konzentrationslager war traumatisierend. Der Tag schien endlos, die Worte der Gästeführerin, zusammen mit den Bildern tausender Menschen, begleitet von einer bedrückenden Atmosphäre brannten sich in unsere Gehirne ein. Aber am allermeisten die Haare. Tonnen von menschlichen Haaren hinter Glas. Das Gefühl von Verzweiflung ist untertrieben, man kann mit keinen Worten beschreiben, was wir gefühlt haben.

    Der letzte Tag in Polen war wunderschön, aber auch mit Traurigkeit und dem Wissen durchmischt, dass wir unsere neuen Freund*innen verlassen mussten. Die Bootsfahrt war eine weitere Gelegenheit, die wir nicht verstreichen haben lassen, um den Lehrer*innen mit unserer Musik auf die Nerven zu gehen. Der Abschlussabend in einem authentischen, traditionellen polnischen Restaurant war wie die perfekte Hochzeit: Das leckerste Essen, was wir gegessen haben, traditionelle polnische Live-Musik, die exklusiv für uns gespielt wurde und am aller wichtigsten: Die Umarmungen am Ende. Ich wurde in meinem ganzen Leben noch nie so herzlich umarmt wie in Polen.

      Malgorzata und Bianca, die  Autorin des Textes.

      Die Fahrt nach Polen war eines der schönsten und einzigartigsten Erlebnisse, die uns zuteil wurden! Wir durften nicht nur eine andere Kultur, mit anderen Sitten und Bräuchen kennenlernen, sondern auch liebenswürdige, witzige, Party-liebende Menschen, die uns gelehrt haben, was wirklich wichtig ist: Offenheit und Vertrauen. Kommunikation kann nicht nur verbal stadtfinden, sondern auch durch das Herz.

      Aus Fremden sind Freunde geworden.

      Fotos

      • Bild 1: Die polnisch-deutsche Schüler*innen-Gruppe vor dem großen bronzenen Drachen ("Smok"), der unterhalb der Wawelburg regelmäßig Feuer speit.
      • Bild 2: Malgorzata und Bianca, die Autorin des Textes.