Wir haben alle viel voneinander gelernt

Das Foto zeigt die Intensivklasse im Jahr 2016

Ende Oktober schloss die Intensivklasse der blista für unbegleitete minderjährige Geflüchtete mit einer bemerkenswerten Bilanz, ein Rückblick.

Dr. Imke Troltenier | Insgesamt 16 geflüchtete Jugendliche, ausschließlich Jungen, hatte die blista Ende 2015 aufgenommen – vom Analphabeten bis zum Abiturienten. Während der Unterricht im Rahmen der ausgesprochen heterogenen Intensivklasse erfolgte, wohnten die 15- bis 17-Jährigen in ­betreuten Gruppen der Jugendheim Marbach GmbH und des Elisabeth-Vereins.

Die Zuweisung war über die Clearingstelle Gießen erfolgt und mit dem staatlichen Schulamt abgesprochen. Die Schüler aus ­Afghanistan, Iran und Syrien galten alle als unbegleitete minderjährige Ausländer. Sechs Wochen später kamen auf Bitten der Clearingstelle drei weitere Jugendliche hinzu, drei andere Schüler schieden aus: Einer ging bereits im März 2016 freiwillig nach Albanien zurück, der zweite nahm in den Sommerfeien 2016 eine Ausbildungsstelle an und der dritte wechselte an die Universität, nachdem das Abiturzeugnis anerkannt worden war.

Vier junge Männer haben jetzt im zweiten Jahr ihren Hauptschulabschluss geschafft und drei von ihnen bereits eine Lehrstelle gefunden. Augenoptiker, Hotelkaufmann, Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik – so individuell die beruflichen Ziele sind, so überzeugend konnten sie diese bei den jeweiligen Bewerbungsverfahren in deutscher Sprache vertreten. Der vierte möchte weiter lernen und strebt den Realschulabschluss an.

Einem Schüler gelang ein faszinierender Schnellstart: Seiner nur 3-monatigen Schulerfahrung auf einer Koranschule und seiner Lernbehinderung zum Trotz erreichte er einen hervorragenden B1-Abschluss für sein deutsches Sprachniveau. Er überzeugte zudem bei der Bewerbung um eine Ausbildungsstelle und möchte nun Koch werden.

Je zwei junge Männer besuchen die Carl-Strehl-Schule in den Klassenstufen 10 und 11. Die weiteren nehmen an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) teil, ein ­junger Mann zog zu seiner Familie ins Erz­gebirge. „Es war nicht einfach nur Unterricht, sondern eine sehr intensive, schöne Zeit mit den Jungs“, resümiert Klassenlehrer Balintfy. „Das war eine Gruppe ganz toller Menschen, aber natürlich sind die Flucht, das fremde Land, die unbekannte Sprache und die oft gräss­lichen Erfahrungen große Herausforderungen. Hier waren sie alle höflich, anständig, nett, nah und bemerkenswert herzlich – ohne jemals aufdringlich zu sein.“

„Die Menschen müssen zusammenhalten, denn eine Hand alleine kann nicht klatschen“, Rostam Nazari ist einer von ihnen. Er hat ein Buch über seine Flucht geschrieben, ist heute in der Marburger Friedensbewegung aktiv und bietet interkulturellen Austausch beim „Kochen mit Rostam“ an. Andere thematisierten ihre Fluchterfahrungen beim „Hörprojekt Grenzenlos“. Manche konnten ihre Familien nachholen, einer ist in diesen Tagen Vater geworden.

„Schade, dass diese Maßnahme ‚Intensivklasse‘ an der blista nicht weitergeführt werden kann“, sagt Karin Edtmüller. Die stellvertretende Schulleiterin unterstreicht : „Wir haben alle viel voneinander gelernt, besonders spannend war die Gestaltung des Austauschs zwischen den blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern und den Geflüchteten.“