Hilfe für Georgien - Bericht über die Fortbildungen in Batumi 2017
Dr. Matthias Weström | Zur Vorgeschichte: die Gespräche im Ministerium für Erziehung und Wissenschaft (MES = Ministery of Education and Science) im März vergangenen Jahres ergaben, dass eine Wiederholung der Fortbildungen in „Frühförderung mehrfachbehinderter sehbehinderter und blinder Kinder“ und in „Orientierung, Mobilität und Lebenspraktischen Fertigkeiten“, die wir in den Jahren 2011–2016 durchgeführt hatten, gewünscht sei – aber nicht im Raum Tbilisi, sondern weit entfernt davon in Batumi an der Schwarzmeer-Küste. Im Grunde war die Überlegung im Ministerium die, dass es auf diese Weise möglich werden könnte, dem Ziel der inklusiven Bildung Blinder und Sehbehinderter in Georgien dadurch ein Stück näher zu kommen, dass es auch in Westgeorgien von uns zertifizierte Experten geben würde. Mir erschien das von der Sache her einleuchtend, außerdem verstand ich diesen Wunsch zugleich als Anerkennung unserer bisherigen Arbeit und nicht zuletzt war mir diese schöne Gegend Georgiens noch unbekannt.
Ich sagte sofort zu, mich für die Realisierung dieses Projektes einzusetzen, machte aber die tatkräftige Mitwirkung der georgischen Seite an diesem Vorhaben zur conditio sine qua non. Denn bei den bisherigen Projekten hatte die georgische Seite eher die Haltung des dankbaren Konsumenten eingenommen. Würde sie sich auch finanziell beteiligen, so die Überlegung, könnte man auch eine intensive Sorge um die Absolventen erwarten.
Geplant war die Durchführung einer Fortbildung in „Frühförderung mehrfach behinderter blinder und sehbehinderter Kinder“ und einer Fortbildung in „Orientierung, Mobilität und LPF für Blinde und Sehbehinderte“, die beide in den bewährten 3 Phasen stattfinden sollten. Die 3 Phasen bestehen aus einem einführenden Seminar im September bzw. Oktober diesen Jahres, gefolgt von einer anschließenden Phase der konkreten Arbeit mit den Kindern bzw. Jugendlichen, über welche eine schriftliche Hausarbeit anzufertigen ist, und einer abschließenden Prüfungswoche im Februar bzw. im März nächsten Jahres.
Zurück in Marburg fand ich für dieses Projekt schnell die Unterstützung der Freunde im Verein „Freunde und Förderer der Blindenschule Tbilisi, Georgien e.V.“, und auch die deutschen Experten waren sofort wieder zur Mitarbeit bereit. Dies sind Simone Prantl und Marina Strothmann aus München, Natalja Mirau aus Neuwied und Waltraud Czieslik aus Marburg. Die Vorbereitungen für diese Vorhaben begannen im Frühjahr 2016 und gestalteten sich etwas schwierig: das in der Vereinskasse vorhandene Geld reichte nicht zur Finanzierung aller drei Phasen der beiden Fortbildungen aus, und vor allem aber zweifelten nicht wenige Vereinsmitglieder am Erfolg und der Nachhaltigkeit der Fortbildungen. Würden die Teilnehmer in der Praxisphase Unterstützung finden können und wie könnte sichergestellt werden, dass das neugewonnene Know-how genutzt wird und nicht allmählich wieder verschwindet? Eine großzügige Spende entlastete unsere Vereinskasse erheblich und ließ uns aufatmen. Und glücklicherweise gelang es auch, die georgische Seite zur (kräftigen) Mitfinanzierung der Projekte zu gewinnen.
Die Fortbildung zur „Frühförderung mehrfachbehinderter blinder Kinder“ fand in der ersten Septemberwoche statt und die Fortbildung in „O&M, und LPF“ in den ersten beiden Wochen im Oktober. Insgesamt hatten sich aus Westgeorgien, insbesondere aus der Provinz Adjarien, über 100 Interessenten gemeldet. Die Auswahl übernahm die mit uns befreundete Nichtregierungs-Organisation NGO „Mariani“, gegründet von der blinden Mariam und ihrer Schwester Ana Mikiashvili, beide keine 30 Jahre alt, nach vorher abgesprochenen Kriterien (jung, pädagogische und/oder psychologische Ausbildung, geeignet als Multiplikator etc). Die Zusammenarbeit mit „Mariani“ hatte sich in den letzten Projekten sehr bewährt. An der Fortbildung zur Frühförderung nahmen 20 Teilnehmerinnen teil, darunter zwei Professorinnen der pädagogischen Fakultät der Universität Batumi. Viele der Teilnehmerinnen (nur ein männlicher Masterstudent der Psychologie war darunter) kamen aus Adjarien, einige wenige aus dem mittleren Teil Georgiens, eine gar aus Tbilisi. In der Fortbildung in O&M und LPF waren nur 12 Plätze zu vergeben – diese Teilnehmerinnen kamen alle aus Adjarien.
In beiden Fortbildungsveranstaltungen wurde – für Georgier ungewohnt, aber das war abgesprochen – von 9 Uhr früh bis ca. 17 Uhr abends (auch samstags!) konzentriert, motiviert, aber entspannt und mit fröhlicher Grundstimmung gearbeitet. Die Dolmetscherinnen trugen wesentlich zu dieser freundlichen Stimmung bei.
Parallel wurde in vielen, teilweise intensiven und auch vertrauensbildenden Gesprächen mit Vertretern der adjarischen Regierung und dem Rektor der Universität die Problematik der Blinden und Sehbehinderten in Adjarien, insbesondere diejenige der Kinder und Jugendlichen, erörtert. Das erfreuliche Ergebnis dieser Gespräche ist, dass die Universität eine Beratungsstelle für Blinde und Sehbehinderte einrichten wird. Diese Beratungsstelle ist zunächst mittelfristig der Ort, an welchem die Teilnehmer der Fortbildungen sich treffen, Probleme erörtern und Materialien austauschen bzw. ausleihen können, das heißt, sie ist ein Ort, an dem die Interessierten ‚networking‘ betreiben können. Die Stelle soll entsprechend dem Bedarf wachsen können. Sie soll auch Beispiel dafür sein, dass verschiedene Disziplinen an der Universität in einer konkreten Problematik fachübergreifend zusammenarbeiten.
Wir kehrten nach Deutschland zurück mit der Überzeugung, in den zurückliegenden Wochen in Batumi wieder Menschen für die Sache der Rehabilitation Blinder und Sehbehinderter in Georgien gewonnen zu haben.