Editorial der Ausgabe 2/2021

blista-Direktor Claus Duncker

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Endlich wieder! Der Lärm spielender Kinder und schnatternder Jugendlicher flutet durch das Fenster meines Büros und erfüllt den Raum. Der Sommer hat den Virus in den Urlaub geschickt. Ein Blick auf den blistaCampus offenbart lebendiges Treiben. Für einige Pflanzen auf dem Gelände fällt das Wiedersehen etwas robust aus, aber so etwas passiert im Überschwang.

Es ist jetzt genug mit einer Schule ohne Schüler*innen. Leer war der Campus nie, mit seinen Abschlussklassen und der Notbetreuung in der Grundschule und den Kinderhäusern. Aber für viele nahm das digitale Computerbild ihres Schullebens erst nach Monaten wieder berührbare Formen eines alltäglichen Schullalltags an: mit Unterricht im Klassenraum, Essen im Speisesaal, Toben auf dem Campusgelände und gemeinsamer Freizeit in den Wohngruppen. Und vor allem gibt es wieder reale Begegnungen mit realen Menschen für unsere Kinder und Jugendlichen.

Ich war überrascht, wie spät in Deutschland erst Schulen und Kindergärten wieder geöffnet wurden. Man diskutierte längst über Fußballspiele mit Publikum und unter welchen Bedingungen Cafés und Gaststätten wieder den Betrieb aufnehmen können. Aber unsere Kinder waren „Pandemietreiber“, ihre Wertigkeit wurde in potenzieller Ansteckungsgefahr gemessen. Da haben andere Länder andere Prioritäten gesetzt. Nach dem harten Lockdown in Frankreich wurden zuerst die Kitas und Schulen wieder geöffnet. In Irland bestand Ausgangssperre, aber die Schulen blieben lange Zeit noch geöffnet.

Aber jetzt können wir diese sommerliche Zeit der Begegnungen erst einmal genießen. Was dann im Herbst sein wird? Wir werden es sehen. Ich würde mich freuen, wenn es dann andere Strategien gäbe, als Bildungseinrichtungen reflexartig zu schließen. Wenn ich dann aber in der Zeitung von erneutem Wechselunterricht nach den Sommerferien lese, dann schwindet meine Hoffnung.

Wechsel im Unterricht und im Alltag ist das genaue Gegenteil von Stabilität. Kinder leben im Hier und Jetzt und sie brauchen die Verlässlichkeit, die ihnen der Alltag gewährt. Und sie brauchen eine zuverlässige und belastbare Perspektive. Hier sehe ich die Politik in der Verantwortung und Fürsorgepflicht. Sie muss für unsere Kinder andere Modelle und Möglichkeiten entwickeln, als Eltern zu Ersatzlehrkräften zu bestimmen, unsere Kinder von ihrem sozialen Leben auszuschließen und von ihren Orten der Begegnungen zu verdammen.

Unsere Kinder müssen an erster Stelle unseres Handelns und unserer Sorgfaltspflicht stehen. Dann verzichte ich gerne auf den Besuch im Fußballstadion und im Café.

Ihr Claus Duncker