Ehemalige engagieren sich

Portraitfoto im Judodress: Shugaa hat dunkle Locken und einen Kurzbart, er lacht vergnügt.

Von Shugaa Nashwan | Auf der Pfingstakademie des CDEs (Club der Ehemaligen der Deutschen SchülerAkademien e. V.) leiteten Kai Kortus und Shugaa Nashwan einen Kurs, in welchem Interessierte blindentechnische Arbeitsmethoden nicht nur kennenlernen sondern auch selber ausprobieren konnten. Derartige Strategien sind für die beiden durch ihre Sehbehinderungen alltagsbestimmend. Aus diesem Grund wurden sie im Laufe ihrer Schulzeit an der blista zu Experten auf diesem Gebiet ausgebildet.

Während Kai nach seinem Abitur in 2012 Marburg treu geblieben ist und mittlerweile im Fachbereich Mathematik promoviert, ging Shugaa nach seinem Abitur in 2017 seiner Leidenschaft für den Leistungssport Judo nach und trainiert nun nicht nur täglich am Olympiastützpunkt in Hannover, sondern absolviert dazu noch ein Psychologiestudium an der SRH Mobile University.

Bezüglich ihrer guten Freundschaft war es nicht die Schulzeit die für ihr Zusammentreffen verantwortlich gemacht werden kann. Ihre gemeinsame Geschichte fing mit einem Sturz vom Pferderücken an und lässt sich danach weiter über die Judomatte verfolgen. Die Verbundenheit wurde überdies noch größer, als sie später feststellten, dass beide Ehemalige waren. Aber Ehemalige wovon?

Obwohl nicht am gleichen Ort oder zur gleichen Zeit, durften beide am Ende ihrer Schulkarriere die gleiche Faszination erfahren. Mit gleicher Intensität konnten sie durch eine Teilnahme an der Deutschen Schülerakademie (DSA) viel Schönes erleben und wichtige Erfahrungen sammeln.

Für Außenstehende ist vielleicht schwer nachzuvollziehen, wie ein außerschulisches Zusammentreffen von knapp 100 Schülerinnen und Schülern aus der gesamten Republik sowie deutschen Auslandsschulen derart nachhaltig wirken kann. Die Akademie selbst richtet sich an besonders engagierte und begabte junge Leute, dabei entsteht ein Klima der Wertschätzung  und des Schaffensdrangs. Im Rahmen dieser sicher empfundenen Atmosphäre können sich die Teilnehmenden perfekt entfalten.

Da die Akademie viele Entwicklungschancen bietet, erscheint es logisch, dass sich eine Folgeinstitution gebildet hat: Im Club der Ehemaligen e. V. (CDE) werden alle Mitglied, die während ihrer Schullaufbahn an einer der Akademien teilnahmen. Der CDE richtet, nach dem Vorbild der Schülerakademien, bis zu sechs eigene Akademien pro Jahr aus. Da diese Akademien nur durch das Engagement der Ehemaligen entstehen können, darf jeder, der sein Wissen teilen möchte, Kursleiter werden.

Shugaa war zum ersten Mal in der Rolle eines Kursleiters und daher froh über die Sicherheit, die Kai, der schon mehr Erfahrung im Bereich des Unterrichtens gesammelt hat, mitbrachte. Alle zwölf Workshopbesucher konnten sehen und deckten vom Alter her die gesamte Palette an CDElern ab. Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie Berufstätige wagten sich das gesamte Pfingstwochenende unter die Augenbinde, um sich die Welt einmal ganz anders zu erschließen.

Neben der historischen Einordnung der Hilfsmittel erfuhren die Neugierigen auch ganz praktisch, wie schwer es ist, einzelne Erhebungen zu ertasten. Schon nach eineinhalb Tagen mit etwa neun Zeitstunden Kurs, waren die Teilnehmenden nicht nur in der Lage kurze Texte zu lesen, sondern auch zu verfassen, auf dem Gallus-Zeichenbrett Zeichnungen anzufertigen und mit modulierten Karten zu spielen.  

Am Ende jeden Kurses werden die gesammelten Erfahrungen in einer Dokumentation festgehalten. Hier ein kurzer Ausschnitt: „In der letzten Kursschiene vor der Rotation hatten Kai und Shugaa einen kleinen Wettbewerb in zwei Gruppen mit unseren kreativen Namen „Punktiger“ und „Goldene Ananas“ für uns vorbereitet. Nachdem wir unsere Namen in Riesen-Braille (wie auch auf dem Kursfoto) dargestellt hatten, ging es los. Jedes Team sollte je zwei Höfe des Feriendorfes durch Beschriftungen in Braille etc. barrierefreier gestalten. Als besondere Herausforderung waren je zwei Teammitglieder die Augen verbunden während der Rest nur mit 10%-Sehkraft-Simulationsbrillen herumlaufen durfte. Beim Vorbereiten und Umsetzen verschiedener Ideen stellten wir schnell fest, dass es gar nicht so einfach ist, Dinge für blinde oder sehbeeinträchtigte Menschen zu beschriften. Wo macht man ein Schild fest, damit es möglichst schnell gefunden werden kann? Welche Informationen sind essentiell, was kann vernachlässigt werden? Somit hatte unser Wettbewerb, der übrigens in einem Unentschieden endete, also auch einen hohen Bildungswert und das Feriendorf war – zumindest für eine kurze Zeit bis zur Abfahrt – barrierefreier.“

An dieser Stelle sei ein Dank an die blista ausgesprochen. Ohne das von ihr zur Verfügung gestellte Anschauungsmaterial hätte der Kurs einen ausgesprochen theoretischen Schwerpunkt. So aber konnten Kai und Shugaa eine ausgewogene Mischung zwischen Praxis und Theorie herstellen und dadurch einen kreativen und zugleich spaßigen Kurs entstehen lassen. Wegen der positiv ausgefallen Evaluation, sieht sich das Zweiergespann dazu veranlasst bald wieder einen  Kurs anzubieten. Vielleicht hat dieser dann mit dem Fall vom Pferd zu tun. 

Zum Hintergrund

Seit vielen Jahren nehmen regelmäßig Schülerinnen und Schüler der blista an der deutschen Schülerakademie teil. Dafür können sich Interessierte bewerben, die von ihren Schulen dafür empfohlen werden. Die ehemaligen blista-Schüler Kai Kortus und Shugaa Nashwan hatten nun die Idee, ihren Alumnikolleginnen und -kollegen der Schülerakademie die blista und die Lehr- und Lernmethoden von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung näherzubringen. Im Vorfeld nahmen beide Kontakt zur blista-Öffentlichkeitsarbeit auf und fungierten so als lebendige Botschafter der blista, herzlichen Dank dafür!