"Beeindruckend, wie schnell und unkompliziert die Kinder sich darauf eingestellt haben"

Die blista-Frühförderung während der Corona-Pandemie

Thorsten Büchner | Für Luisa Herrmann und ihren Sohn Nick gehört die blista-Frühförderung seit drei Jahren zum Familienalltag. „Nick freut sich immer sehr, wenn Frau Skrezka vom Frühförderteam der blista zu Besuch kommt, weil sie immer so coole Spielsachen mitbringt.“ Nick begreife die Arbeit mit Yasemin Skrezka „nicht als gezielte Förderung oder Training, sondern als Spiel“, erklärt die Mutter des sehbehinderten Sechsjährigen. Schon früh fiel Luisa Herrmann auf, dass Nick immer „ziemlich angestrengt die Augen zusammengekniffen hat, wenn er etwas genauer erkennen wollte.“ Eine Augenärztin in Marburg gab ihr den Tipp, sich an die blista-Frühförderung zu wenden. „Gerade auch für uns als Familie waren und sind die vielen Gespräche und Tipps sehr wertvoll“, sagt Herrmann. Sie erinnert sich auch daran, dass durch die Unterstützung und Begleitung in der Kita „Missverständnisse ausgeräumt“ werden konnten. „Nick hat sich bei Aufgaben oder Spielen in der Kita immer in die erste Reihe gedrängt. Da wollten ihm die Erzieher*innen vermitteln, dass er auch mal anderen den Vortritt lassen und nicht immer vorne stehen kann. Durch die Erklärungen der blista-Mitarbeiterin wurde dann allen in der Kita deutlich, wie Nick sieht und dass er einfach vorne stehen muss, wenn er überhaupt etwas wahrnehmen möchte. Das hat enorm geholfen.“

Ein Kleinkind untersucht Frühfördermaterial mit der Frühförderin

Generell sei es in der „Kita immer ein Erlebnis, wenn Frau Skrezka mit aufregenden Spielsachen, die Nicks Wahrnehmung fördern, vorbeikommt. Das interessiert auch alle anderen Kinder, die das dann auch gerne ausprobieren.“ So erfreuten sich beispielsweise Duplo-Leuchtsteine, die anfangen zu leuchten, wenn man sie passend ineinandersteckt, großer Beliebtheit.

Diese positiven Auswirkungen bestätigt auch Ullrike Roß, deren dreijähriger Sohn Jamie bereits seit über zwei Jahren von Sabine Marcus vom Team der blista-Frühförderung begleitet wird. „Jamie profitiert davon sehr. Er hat jetzt viel mehr Spaß daran entwickelt, sich Dinge und Gegenstände ganz genau anzusehen und von jeder Seite zu betrachten. Das war früher nicht so.“

Die Corona-Pandemie hat beide Familien daher vor besondere Herausforderungen gestellt. „Nick wechselte im März letzten Jahres eigentlich gerade den Kindergarten. Dann kam Corona und hat ihm den Neustart völlig unmöglich gemacht.

Das war schon schwierig“, sagt Luisa Herrmann. Da ihr Sohn eigentlich keine Kontakte mehr zu gleichaltrigen Kindern hatte, „kam es mir manchmal schon so vor, als säße mir da ein kleiner Erwachsener gegenüber, wenn ich die Redewendungen bei Nick erkannte, die sonst immer Opa oder Oma verwendeten.“ Während dieser Zeit war es im vergangenen Jahr auch zwei Monate lang so, dass es keinerlei Besuche der blista-Frühförderung geben durfte. „Da wurden wir aber mit regelmäßigen Päckchen und Briefen unterstützt, wo entsprechende Unterlagen und Materialien für Nick enthalten waren“, erinnert sich Luisa Herrmann.

Für Ullrike Roß und Jamie gab es „nur sechs Wochen, in denen Jamie nicht in die Kita gehen konnte.“ Besonders stark habe sich im ersten Lockdown aber die Tatsache bemerkbar gemacht, dass Jamie auch nicht mehr zur Physiotherapie gehen durfte. „Das hat ihn letztes Jahr ziemlich zurückgeworfen. Mittlerweile ist Physiotherapie glücklicherweise wieder möglich“, sagt Ullrike Roß.

Die Frühförderin desinfiziert ein Spielzeug

Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsalltag des blista-Frühförderteams ziemlich verändert und vor neue Herausforderungen gestellt. „Zunächst war für uns ja überhaupt nicht klar, wie wir unsere Unterstützungsangebote durchführen können“, erläutert Ressortleiter Dr. Werner Hecker. „Frühförderung per Zoom-Meeting kommt gerade bei blinden und sehbehinderten Kleinkindern nur schwer in Frage.“

Die allgemeine Unsicherheit zu Beginn der Pandemie war überall spürbar. „Auch bei uns“, so werner Hecker weiter. „Unsere Arbeit hat sich schon verändert“, sagt auch Sabine Marcus, die seit 27 Jahren im Frühförderteam der blista tätig ist. „Allein schon vom organisatorischen und logistischen Ablauf her ist ein Besuch in der Familie viel aufwendiger.“ Durchschnittlich betreut und begleitet eine Kollegin der Frühförderung 16 Familien. Natürlich tragen alle Kolleginnen Schutzmasken und achten auf regelmäßiges Lüften. „Wir müssen darauf achten, dass wir kein Spielzeug bei zwei aufeinander folgenden Familienterminen verwenden.“ Daher kämen alle verwendeten Materialien, egal ob Stoffgiraffe, Bilderbuch oder andere Spielsachen, wenn sie nicht desinfiziert werden können, für mehrere Tage in Quarantäne.

„Viele Besuche wurden dann einfach, wenn es das Wetter zuließ, an die frische Luft verlagert“, erinnert sich Luisa Herrmann. Bei manchen Familienbesuchen war die Bedrohung durch das Virus und die damit verbundenen Gefahren auch in den Gesprächen durchaus präsent. „Gerade für die Kinder mit zusätzlichen Beeinträchtigungen und Erkrankungen war und ist das Virus eine reale Gefahr. Da gab es schon belastende Situationen, wo wir mit den Familien über das Thema Tod gesprochen haben“, erinnert sich Sabine Marcus an die bedrückenden Momente während der letzten Monate.

Werner Hecker empfand es als „große Unterstützung, dass die Kostenträger zu Beginn der Pandemie so unkompliziert geholfen haben, damit wir unsere Arbeit fortsetzen konnten, auch wenn keine klassischen Besuche mehr stattfinden konnten.“ „Dass der Frühförderung so auch von offizieller Stelle die Bedeutung zugemessen wurde, die sie für die Kinder und deren Familien besitzt, freut mich“, sagt er.

Einig sind sich Werner Hecker, Sabine Marcus, Luisa Herrmann und Ullrike Roß darin, dass „wir es beeindruckend finden, wie schnell und unkompliziert sich die Kinder auf die neuen Lebenssituationen rund um Corona, nicht nur auf die Masken, eingestellt haben.“

Wie sehr Corona und alles, was damit zusammenhängt, schon in der Alltagswahrnehmung und Erfahrungswelt angekommen sind, zeigt ein Erlebnis von Luisa Herrmanns Sohn Nick. Zusammen mit blista-Kollegin Yasemin Skrezka sollte Nick Gegenstände, die auf einem Foto abgebildet waren, nachbauen. Als er eine Tasse mit zwei Henkeln, also zwei Griffen, auf einer Abbildung erblickte, war er sich sicher, die ihm wohl vertraute und bekannte Schutzmaske erkannt zu haben.