"Skifahren mit Blinden? Wie soll das denn gehen?"

Gerrit Arnold | Diese Frage hören wir immer wieder, wenn wir von der Wintersportfreizeit der Carl-Strehl-Schule (CSS) erzählen. So bereiten sich alle Neuntklässler*innen  ein Halbjahr intensiv im Sportunterricht auf die anstehende Wintersportfreizeit vor. Ausdauer, Koordination, Gleichgewichtstraining stehen dabei auf dem Programm.,
Derart vorbereitet geht es dann im Februar in den Schnee. Eine gute Woche lang halten wir uns in einem Landschulheim in Habischried (Bayerischer Wald) auf. Die ersten beiden Tage steht der Skilanglauf, die nächsten beiden Tage Ski Alpin im Vordergrund. Danach können die Schüler*innen auswählen, ob sie Langlauf oder Alpin für weitere drei Tage vertiefen möchten.

Es ist allerdings erklärtes Ziel, nicht nur den Skilauf, sondern alles das zu vermitteln, was mit der Winterwelt zu tun hat. Dementsprechend sind Rodeln, Schlittschuhlaufen, Winterwandern, der Bau einer Schneebar etc. weitere Angebote. Und die Verletzungsgefahr, wenn blinde Schüler*innen  Ski fahren? Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: Das Projekt findet seit 1977 statt und seit dieser Zeit hat es keinen Unfall gegeben, der auf die jeweilige Sehbehinderung zurückzuführen ist.

Aber wie sieht das jetzt genau aus, wenn blinde Menschen  Ski fahren? Der Einstieg in die Winterwelt geschieht über die Langlaufskier. Hier können die Alltagsbewegungen des Gehens auf den Langlaufski übertragen werden. Dies geht umso besser in freiem unverspurtem Gelände. Auch die ersten Abfahrten auf Langlaufski finden nicht in der Loipe, sondern in möglichst weichem und unberührtem Schnee statt. Erst wenn die Schüler*innen hier in der Lage sind, sich sicher fortzubewegen, kommt das Laufen in einer ebenen Loipe hinzu, bevor auch leichte Abfahrten in der Loipe thematisiert werden.

Zwei Schüler*innen liegen in Langlauf-Ausrüstung im Schnee.

Beim Ski Alpin ist eine hohe Betreuungsdichte und eine genaue Geländewahl unverzichtbar. So arbeiten wir mit einer 1:1-Betreuung und starten an einer ganz flachen Übungswiese. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Auswahl des Gerätes, so starten unsere Schüler*innen auf Big Foots, um auch hier wieder Alltagsbewegungen und die gemachten Erfahrungen auf Inlinern übertragen zu können.

Nach dem gemeinsamen Start entwickeln sich die Lernprozesse absolut individuell. Jede*r Lehrende entscheidet mit seine*r  Lehrkraft, wann sie auf einen Kurzcarver und im nächsten Schritt dann auf den Langcarver umsteigen, wann sie auf die blaue oder die rote Piste wechseln. Es kann also durchaus sein, dass am dritten Alpintag die eine Person noch auf der Übungswiese ist, während eine andere Person bereits rote Pisten befährt. Auch hierbei ist es wieder Ziel, alle auf ihrem individuellen Niveau optimal zu fördern.

Ein*e Schüler*in sitzt auf einem Rodelschlitten.

Ein weiteres Ziel ist es, die Schüler*innen in die Lage zu versetzen am Ende der Fahrt mit einer sehenden Begleitung (Verwandte, Freunde) diesen Sport ausüben zu können, damit es nicht bei diesem zweiwöchigen Erlebnis bleibt. Sollten bei den Beteiligten doch Vorbehalte bestehen oder ein gemeinsames Skilaufen aus anderen Gründen nicht realisierbar sein, so besteht die Möglichkeit, an inklusiven Skifahrten der Skiabteilung in einem Marburger Verein (Blau-Gelb Marburg) teilzunehmen. Die blista kooperiert mit dieser Skiabteilung personell, materiell und konzeptionell. Eine weitere Kooperation besteht mit dem Fachbereich Sport der Philipps-Universität Marburg, die es uns beispielsweise ermöglicht, sowohl in der Schule als auch im Verein auf genügend qualifizierte Ski-lehrer*innen  zurückgreifen zu können, sodass gute Grundlagen geschaffen sind, den Schüler*innen eine gesellschaftlich relevante Sportart zu vermitteln, zu der blinde Menschen normalerweise keinen Zugang haben.

Eindrücke von der Skifreizeit 2023

von Bjarne Milz, Klasse 9a
Das Wintersportprojekt der CSS wurde dieses Jahr im Ort Habischried im Bayerischen Wald durchgeführt. Die Fahrt fand vom 02.02 – 10.02.2023 statt und viele Sportlehrer*innen und Sportstudent*innen waren dabei. Einige Betreuer*innen aus den Wohngruppen des Internats waren auch dabei. Die Hinreise dauerte etwa 7 bis 8 Stunden. Die Wochen vor der Skifahrt wünschten sich alle Beteiligten nichts mehr als Schnee. Am Tag der Ankunft wurden wir überrascht. Die Landschaft war weiß - eine traumhafte Klassenfahrt konnte beginnen. Ich habe mich am Abend mit meinem Zimmernachbarn unterhalten: „Ich freue mich sehr auf diese Skifahrt. Wir haben Schnee, sogar mehr, als wir benötigen. Dies wird eine coole Freizeit!“

Am Abend wurde uns das Programm für die nächsten Tage erklärt. Ein Sportlehrer erzählte uns: „Die Skifreizeit ist in zwei Teile unterteilt. Der erste Teil ist Ski-Langlauf, der zweite Ski-Alpin. Beides kann jeweils zwei Tage lang ausprobiert werden. Danach dürft ihr euch für eine der beiden Sportarten entscheiden.“ Am Tag der Wahlen haben sich alle Schüler*innen hingesetzt und überlegt. Fast alle kamen zu folgender Schlussfolgerung: „Skilanglauf war zwar schön und hat Spaß gemacht, dennoch kann man bei Ski-Alpin mehr Feeling der Abfahrt und des Windes spüren.“

Doch nun sollten wir uns die Frage stellen, wie blinde und sehbeeinträchtigte Menschen Skifahren können? Auf Grund meiner Erfahrung von der Skifreizeit kann ich berichten, dass alle, die nicht voll sehen können, einen Guide benötigen. Jedoch gibt es verschiedene Arten und Weisen, wie Skischüler*innen  und Guide gemeinsam fahren. Einmal kann man nebeneinander fahren, währenddessen halten beide ihre Hände an den Skistöcken. Diese werden quer an die Hüfte gedrückt. Die Skischüler*innen können sich nun fahren und leiten lassen. Das ist ein traumhaftes Gefühl. Guides können aber auch vor den Schüler*innen fahren und ihnen Signale zurufen: Rechts! Links! Halt! Stopp! Dies geht auch, wenn der Guide hinter den Schüler*innen fährt. Rechts und links wird angesagt, wenn man Kurven fahren soll. Der Begriff Halt wird verwendet, wenn man anhalten soll und Stopp, wenn eine Gefahr droht. Können die Schüler*innen also nicht mehr rechtzeitig bremsen, müssen sie sich fallen lassen, auch wenn dazu viel Mut gehört!

Auch außerhalb der Pisten hatten wir viel Spaß. Auf den Zimmern wurde viel gelacht und dreimal täglich trafen wir uns auch im Speisesaal. Alle kamen dort meist glücklich, zugleich aber auch müde an. Abends trafen wir uns meist in einem großen Raum, wo über den vergangenen Tag und die Planung für den nächsten Tag gesprochen wurde. Anschließend wurden Spiele gespielt, gechillt oder es gab sportliche Aktivitäten. Dabei waren Basketball und Zumba besonders beliebt. Am letzten Abend gab es dann noch eine kleine Abschlussfeier. Es wurde gesungen, getanzt, gelacht. Am nächsten Tag musste es wieder nach Hause gehen. Tschüss schöne Landschaft, bis bald. Es war sehr schön hier. Wir hatten Schnee, die Sonne stand am Himmel weit über uns und weit und breit waren keine Wölkchen zu sehen. Wir werden diese Aussicht, diese Luft und Stille, die Natur und das Feeling von Skifahren vermissen!

Zwei Schüler*innen lächeln in die Kamera.

„Schifoan is des Leiwaundste…“

Einblicke von Antonin Bau, Klasse 9a
In diesem Artikel möchte ich euch ein paar Einblicke in die Vielfalt der Klassenfahrt geben! Viel Spaß :)

1. Langlauf An den ersten beiden Tagen sind wir in der Natur in Kleingruppen in den Loipen, die gespurten Wege beim Ski-Langlauf mehr oder weniger vorangekommen. Es hat sehr viel Zeit gebraucht, sich an diese Art des Skifahrens zu gewöhnen und gut weiterzukommen. Nach ein paar Versuchen jedoch, konnte man sogar die Natur genießen oder, wie mir gezeigt wurde, mit Gesang und einem „coolen Gang“ die Loipen entlang sliden.

2. Alpin-Ski Ich persönlich hatte noch keine Ski-Erfahrung und musste somit ganz von vorne beginnen. Anfangs wollte ich noch nicht mal runterfahren, selbst die verschiedenen Lifte benötigen einiges an Übung und Erfahrung. Da mein Ski-Lehrer aber auch gerne Musik mag und dies auch ein bisschen die Angst nimmt, wurde das eine oder andere Aprés-Ski-Lied bereits auf der Piste gegrölt. Ganz besonders hat mir der letzte Abfahrtstag gefallen, an dem ich die blaue Piste zur Hälfte alleine runtergekurvt bin und mein Begleiter im Onesie als Löwe (Overall in Tieroptik) für Stimmung gesorgt hat.

3. Freizeitgestaltung Die Freizeit wurde vielfältig verbracht: Seien es Schneewanderungen mit riesigen Schneeschuhen, die aussehen, wie sehr große Tennisschläger, shoppen in Regen, den Abschlussabend planen und feiern, etwas über Nachhaltigkeit in Bezug auf Skifahren gucken und, und, und ... Hervorzuheben ist der bunte Abend mit Mocktails (alkoholfreie Cocktails), Tanzmusik, Snacks mit Dips und alkoholfreiem Beer-Pong (Trink- und Geschickligkeitsspiel). Einfach MEGA!!! Zusammengefasst war die Klassenfahrt eine tolle gemeinsame Zeit, in der man alle näher kennenlernen konnte und nebenbei auch am Skifahren den Spaß auf jeden Fall genossen hat.