Die Klasse 5 auf dem Biobauernhof

Die Klasse hört interessiert dem Gemüseanbauexperten zu
Wir hören dem Gemüseanbauexperten interessiert zu

Eigenes Gemüse - aber wie?

Till Zipprich, Schüler der Klasse 5. Wir, die fünfte Klasse der Carl-Strehl-Schule, haben mit Hilfe unserer Biologielehrer Herrn Wennesz und Herrn Mahnke auch in diesem Jahr wieder eines von fünf Hochbeeten auf dem blista-Gelände bepflanzt. Seit April gießen wir täglich unsere Gemüsepflanzen und schauen, ob sie sich gut entwickeln. Im Unterricht haben wir erfahren, wie aus Blüten Samen und daraus wieder Pflanzen werden. Die Bohnen, Karotten, Tomaten und Zucchini gedeihen prächtig und bald wird es Zeit sein, die ersten Früchte zu ernten. Doch wie funktioniert das „in größer“? Um eine Antwort darauf zu finden, machten wir uns samt unseren Lehrern Angelika Kolbeck, Joseph Berland und Timo Wennesz auf, um einen etwas anderen Bauernhof zu besichtigen.

Wenn man das Wort „Bauernhof“ hört, denkt man zuerst an Scheunen, Traktoren und natürlich Tiere. Wenn man aber nach Dreihausen im Ebsdorfergrund fährt, sieht man alle diese Dinge nicht. Dort betreibt Harry Kull mit seiner Frau nun schon seit 34 Jahren einen Bio-Bauernhof, auf dem ausschließlich Gemüse angebaut wird. Angefangen hat alles im Herbst 1982, als seine Familie plötzlich zu viele Äpfel hatte, erzählt der 60-Jährige. „Ich bin als Landschaftsgärtner arbeitslos geworden und hatte daher genug Zeit, die Äpfel zu verkaufen. Die Resonanz war so groß, dass ich mir über den Winter überlegte, selber Gemüse anzupflanzen und dann auf dem Wochenmarkt zu verkaufen. Als Landschaftsgärtner hatte ich mir immer mehr Arbeit mit Pflanzen gewünscht, wir haben aber vor allem mit Beton und Stein gearbeitet. Meine erste Marktfuhre im Mai 1983 auf dem Markt im Marburger Südviertel war nur sehr klein und beinhaltete nur Karotten, Radieschen, rote Beete, Salat und ein paar Kräuter. Trotzdem verkaufte sich mein Gemüse sogar noch besser als in Gießen, wo ich davor einige wenige Male schon verkauft hatte. Deshalb bin ich hier geblieben.“

Schüler halten ganz kleine Kartoffeln in den Händen
Die Kartoffeln sind noch klein
Der Bio-Bauer beantwortet Fragen im Gewächshaus
Es gibt viele Fragen

Die Palette wuchs und so fand man an Harrys Stand bald auch Gurken, Tomaten und vieles mehr. Obst und Gemüse, das er nicht selber anbauen kann, kommt seit 19 Jahren vom Großhandel. „Mittlerweile geht es aber wieder zurück, weil meine Kräfte mit dem Alter etwas nachlassen und meine Frau und ich alles zu zweit machen müssen. Früher haben meine Eltern noch mitgeholfen, mittlerweile sind sie aber zu alt geworden“, berichtet Harry. Trotzdem ist die Auswahl und die Menge an Produkten doch recht ansehnlich. In einem 10 × 50 m großen Kunststofftunnel zum Beispiel stehen rund 800 Tomatenpflanzen. Wenn alles gut geht, kann Harry hier ungefähr drei Tonnen Tomaten ernten. Aber eben nur dann, wenn das Wetter stimmt. „Im vergangenen Jahr war es so trocken, dass ich am Ende weniger Kartoffeln ernten konnte, als ich im Frühjahr eingesetzt hatte. In diesem Jahr ist es das genaue Gegenteil. Es hat so viel geregnet, dass das Wasser fast noch in den Furchen steht.“ Ansonsten sieht man auf dem Feld noch verschiedenste Arten von Kohl, Salat, Zucchini und Kürbisse. Allerdings ist die Menge der einzelnen Arten deutlich kleiner als bei großen Betrieben. „Ein Feld, das so groß wie meine gesamte Anbaufläche ist, wird in Großbetrieben alleine für den Anbau von Brokkoli genutzt.“

In den vergangenen Jahren ist Harry noch erfolgreicher geworden. Er begründet es damit, dass heute viele Leute mehr über „Bio“ wissen und mehr darauf achten, biologisch angebaute Produkte zu kaufen. Doch was ist das genau? Harry Kull erklärt: „Einer der größten Unterschiede ist, dass wir nicht mit chemischem Dünger arbeiten. Bohnen und Klee geben Stickstoff in die Erde und Regenwürmer lockern sie auf. Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass ich kein Gift verwende und meine Kunden und ich daher ein besseres Gewissen haben können, wenn wir von meinen Produkten essen.“ Im Geschmack äußert sich „Bio“ allerdings nicht zwangsläufig, berichtet Harry: „Neulich habe ich Bio-Tomaten aus dem Supermarkt gegessen, die nach ‚Nichts‘ geschmeckt haben. Diese Früchte haben zwar kein Gift gesehen, sind aber trotzdem so gezüchtet, dass sie beim Kunden immer noch gut aussehen. Das geht manchmal zu Lasten des Geschmacks.“ Und er muss es wissen. Schließlich sind Tomaten Harrys Lieblingsgemüse und er baut gleich fünf verschiedene Sorten an. Für Einsteiger wie uns, die auch Gemüse anbauen wollen, hat er noch einen Tipp: „Kartoffeln sind relativ einfach anzubauen und daher für den Anfang gut geeignet.“ Da hat er uns aber reichlich unterschätzt!

Fotos: Timo Wennesz (Lehrer der Carl-Strehl-Schule)