Buchtipp

Buchcover von Tommi Kinnunen, Das Licht in Deinen Augen

Tommi Kinnunen - Das Licht in deinen Augen

Familienroman

Nach vier Krimis in Folge lag nun ein Familienroman vor mir. Mein Fehler gleich zu Beginn war, dass ich mir einbildete, die Sache mit dem Über-die-Zeilen-Huschen würde schon funktionieren – ich musste ja nicht versteckten Hinweisen auf den Mörder nachgehen - und schon hatte ich den Salat: Personal und Zeitebenen, alles durcheinandergeworfen. Also hieß es, nochmal von vorne beginnen und ganz demütig den zu Anfang abgebildeten Stammbaum der Familiendynastie studieren.

Kommen wir zur Rahmenhandlung: Die blinde Helena wächst während und kurz nach dem 2. Weltkrieg zusammen mit ihren beiden Geschwistern Anna und Johannes bei den Eltern und ihrer Großmutter Maria in einer kleinen nordfinnischen Siedlung auf. Um Helena ein selbständiges Leben zu ermöglichen, schicken die Eltern ihr blindes Kind ins weit entfernte Helsinki auf eine Blindenschule. Bis zuletzt wird Helena ihren Eltern dies nie wirklich verzeihen. Trotz dieser Erfahrung oder gerade deshalb reift Helena zu einer selbstbewussten Frau heran, erlernt einen Beruf und arbeitet als Klavierstimmerin. Sie heiratet, aber Kinder bleiben ihr verwehrt. Warum das so ist, bleibt lange ihr gut gehütetes Geheimnis. Dafür bekommen ihre beiden Geschwister Anna und Johannes einen ganzen Stall voller Nachwuchs. Tuomas, der jüngste Sohn von Helenas Bruder Johannes, ist schwul. Da in einer nordfinnischen Ortschaft auf einen jungen Mann mit seiner Veranlagung nicht viel wartet, tritt er in die Fußstapfen seiner Tante und verlässt ebenfalls wehmütig seine ländliche Heimat und das familiäre Nest, um in der Stadt ein unabhängiges, eigenständiges Leben zu führen. Tommi Kinnunen beschreibt den Werdegang zweier gesellschaftlicher Außenseiter aus unterschiedlichen Generationen, die beide nicht ganz freiwillig hinaus in die Welt gezogen sind. Er erzählt von ihren Erwartungen und Hoffnungen, von den kleinen und großen Enttäuschungen, die das Leben reichlich einschenkt, und über die Bedeutung von Familie, wenn mal wieder nichts nach Plan läuft.

Zum Ende des Romans hatte sich ein Schleier der Melancholie über mein Gemüt gelegt. Einsamkeit, unerfüllte Sehnsüchte und Tragödien im Überfluss, während Glück und Zufriedenheit ein rares und flüchtiges Gut zu sein scheinen. Wirklich kein schlechter Familienroman, aber immer schön aufpassen beim Lesen, sonst verwechselt man Opa mit Opi, und schon steckt man in einer ganz anderen Geschichte.

  • Dieser Roman wird gerade als Hörbuch aufgesprochen und ist demnächst unter der Bestellnummer 872011 in der DBH ausleihbar.