Interview mit Claus Duncker und Patrick Temmesfeld

Claus Duncker und Patrick Temmesfeld

„Unser Vorstandsalltag ist so bunt wie die blista selbst“

Herr Duncker, stellen Sie uns doch bitte Ihren neuen Kollegen im blista-Vorstand, Patrick Temmesfeld, kurz vor.

CD: Patrick Temmesfeld ist ein alter Hase in der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik. Er ist sein gesamtes Berufsleben als qualifizierter Sonderpädagoge dort unterwegs. Er ist Langläufer. Langläufer zu sein heißt, dass man einen langen Atem hat und einem nicht so schnell die Puste ausgeht. Eigenschaften, die gerade für eine Tätigkeit im Bildungsbereich wichtig sind. Wir kennen uns seit über zwölf Jahren und ich habe auch schon in der früheren Funktion von Herrn Temmesfeld, als Einrichtungsleiter des bbs nürnberg, sehr gerne mit ihm zusammengearbeitet. Über die Fortsetzung dieser Zusammenarbeit – jetzt hier an der blista – freue ich mich sehr.

Welche Berührungspunkte hatten Sie in Ihrem bisherigen Berufsleben mit der blista, Herr Temmesfeld? Und was hat dann den Ausschlag gegeben, nach Marburg zu wechseln?

PT: Ich hatte von Beginn meines Berufslebens an Berührungspunkte mit der blista. Als Lehrer an der Johann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg war es für mich schon Alltag, dass Wege von Schülerinnen und Schülern nach Marburg führten. Daher kannte ich die blista und ihre Angebote schon früh. Über mein Steckenpferd, die EDV und IT, arbeitete ich schon damals in Friedberg eng mit Uli Kalina aus der Carl-Strehl-Schule zusammen. Später dann, als Geschäftsführer und Schulleiter des bbs nürnberg, habe ich viel über die blista in gemeinsamer Gremienarbeit erfahren und kennengelernt. Die blista ist für mich damit schon immer eine hochspannende Einrichtung gewesen. Daher habe ich diese Herausforderung sehr gerne angenommen, die Entwicklungen hier auf dem blistaCampus mitgestalten zu dürfen.

Wie waren Ihre ersten Wochen?

PT: Die ersten Wochen waren recht ruhig, weil ich mitten in den hessischen Schulferien angefangen habe. Das war sehr gut, weil ich so nach und nach die Aufgaben, Personen und einzelnen Bereiche an der blista besuchen und in Ruhe kennenlernen konnte. Nun im regulären Betrieb geht das Kennenlernen dieser komplexen Einrichtung weiter; jetzt kommen viele Termine, Gespräche, Planungen und Austausch dazu.

Wie würden Sie Ihren Vorstandskollegen Claus Duncker jemandem beschreiben, der ihn nicht kennt?

PT: Claus Duncker ist dynamisch. Er ist schnell im Kopf und im Handeln. Claus Duncker ist jemand, der für die blista lebt und die Herausforderungen, die damit zusammenhängen, liebt und braucht. Er ist direkt, kritik- und lernfähig, was die Zusammenarbeit mit ihm für mich spannend und bereichernd macht.

Wie ist Ihre Arbeitsaufteilung an der blista und wie sieht konkret Ihre Zusammenarbeit aus?

CD: Beide blista-Vorstände leiten gleichermaßen verantwortlich die Geschäfte. Klar ist aber auch, dass wir Arbeitsbereiche aufgeteilt haben. Jeder von uns beiden hat die Verantwortung für bestimmte Teilbereiche der blista. Verantwortung bedeutet, dass wir für die inhaltliche Koordination mit den jeweiligen Ressortleitern zuständig sind. Patrick Temmesfeld verantwortet beispielsweise die schulischen, pädagogischen und berufsorientierten Bereiche der blista. Also die „Carl-Strehl-Schule“, den Internatsbereich und dass Ressort „Teilhabe und berufliche Bildung“. In meinem Verantwortungsbereich liegen die Montessorischule, die Rehabilitationseinrichtung (RES), der mediale Bereich und die Verwaltung.

PT: Die Aufteilung, die Claus Duncker genannt hat, passt gut zu den Schwerpunkten meiner bisherigen Arbeit. Zudem bin ich auch für die Stabstelle „Öffentlichkeitsarbeit“ der verantwortliche Vorstand.

Beschreiben Sie doch mal einen klassischen Arbeitstag als blista-Vorstand.

CD: Ein klassischer Arbeitstag würde ungefähr so beginnen: Ich komme in mein Büro und will eigentlich einen wichtigen Brief schreiben. Ich öffne das Textdokument und ... - das war‘s dann erstmal. In der Zwischenzeit passiert so viel, dass abends manchmal nur die Anrede auf dem Bildschirm auftaucht. Von Personal- oder Budgetfragen über Öffentlichkeitsanfragen bis hin zu internen und externen Sitzungen. Der Alltag ist bunt und unvorhersehbar. Ich verfahre oft nach der Devise: Löse viele kleine Probleme, dann bekommst du keine großen Probleme.

PT: Man hat zwar seine tägliche Agenda, aber oft ist es so, dass man morgens in der Tat nicht weiß, was alles so zusätzlich auf einen zukommen wird. Der Vorstandsalltag ist daher so bunt und vielfältig wie die blista.

CD: Die blista ist gut vernetzt. Aufgrund der hochwertigen Arbeit, die wir als blista leisten, sind wir als Partner in vielen Gremien sehr gefragt. Das ist der Grund, weshalb ich qua Amt in zwölf Vorständen oder Aufsichtsräten sitze, von denen ich jetzt gerne einige an Patrick Temmesfeld abgebe. Neben diesen externen Terminen kommen natürlich auch noch Repräsentationstermine dazu. Vermutlich wird sich das zukünftig erhöhen, da die blista jetzt – mit ihren Montessori-Angeboten, Kinderhaus und Schule, - ja auch verstärkt als lokaler Bildungsträger in Marburg in Erscheinung tritt.

Herr Duncker, in den letzten Jahren hat sich die blista ziemlich verändert und viele neue Projekte auf den Weg gebracht. Was sind dabei für Sie die bemerkenswertesten Entwicklungen?

CD: Dass wir massiv daran gearbeitet haben, dass Inklusion mehr als nur ein guter schulischer Abschluss bedeutet. Inklusion kann nur dann funktionieren, wenn es gelingt, dass Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung ihren Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt finden. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Neue Arbeitsfelder zu identifizieren und Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung dabei unterstützen, die Herausforderungen der Arbeitswelt zu meistern.

Ein weiterer Punkt ist, dass wir in den letzten Jahren die Barrierefreiheit im umfassenden Sinne viel stärker in den Vordergrund unserer Arbeit gerückt haben. Bei der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung sind wir mit unseren barrierefreien Lösungen, ob im öffentlichen Raum, im IT-Bereich oder bei der medialen Versorgung mit riesigen Schritten vorangekommen. Wir produzieren mittlerweile weit mehr als das reine, klassische Punktschriftbuch, haben uns den medialen Trends angepasst und so die gesellschaftliche Teilhabemöglichkeit erweitert.

Als einen weiteren elementaren Punkt sehe ich die Herausforderung, ein schulisches Angebot mit dem klaren Schwerpunkt auf Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung zu etablieren, das im inklusiven Kontext sehende Menschen jeglichen Alters mit einbezieht.

Und wie werden Sie diesen eingeschlagenen Weg fortsetzen?

CD: Wenn man die blista mit einem großen Tanker vergleicht, dann kann man sagen: Der Tanker ist jetzt auf Kurs. Jeder weiß, welche Richtung die blista nimmt. Jetzt müssen wir nur aufpassen, dass wir keinen Eisberg, keine Hindernisse übersehen, damit wir unsere Ziele auch erreichen.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen der nächsten Jahre?

CD: Wie sich das Bundesteilhabegesetz in der konkreten Ausgestaltung auswirken wird, wird sicher nicht nur für uns eine Herausforderung. Zentral für unsere weitere erfolgreiche Arbeit und unsere Angebote ist, dass wir genügend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden oder qualifizieren. In vielen Abteilungen stehen Generationswechsel unmittelbar bevor.

PT: Es geht auch darum, neue Angebote zu entwickeln und alte, bisherige Angebote zu überprüfen und auch zu beenden, wenn sie den aktuellen Anforderungen und Bedarfen nicht mehr entsprechen. Stichwort „Digitalisierung der Arbeitswelt“. Die Personen, für die sich die blista einsetzt, verändern sich. Dem müssen wir Rechnung tragen und unsere Angebote erweitern oder neue Angebote aufsetzen.

Wichtig ist es auch, das Zusammenleben auf dem blistaCampus so zu gestalten, dass sich jeder Personenkreis, ob sehend, blind oder sehbehindert, aufgehoben, eingebunden und wohl fühlt. Diesen, in der bildungspolitischen Landschaft einmaligen, begonnenen Prozess, den blistaCampus zu einem inklusiven Ort zu machen, erfolgreich fortzusetzen.

Werfen wir einen Blick ins nächste Jahr. Vom 3. bis zum 7. August findet auf dem blistaCampus der VBS-Kongress statt: Was können die Besucher erwarten und wie wird sich die blista dort präsentieren?

PT: Die blista wird sich als großartiger Gastgeber präsentieren und sich um ihre Gäste kümmern und neugierig machen auf das, was hier tagtäglich geleistet wird. Wir erwarten einen bunten Kongress mit bis zu 800 Teilnehmenden, die zu den brennenden und entscheidenden Fragen der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in Austausch treten und Impulse für die zukünftige Arbeit setzen.

CD: Für die blista-Kolleginnen und -Kollegen ist es eine Chance, mal in „andere Kochtöpfe“ hineinzublicken und Anregungen für den eigenen Berufsalltag zu gewinnen.

Welche Schlagzeilen würden Sie gerne in zehn Jahren über die blista lesen?

CD: Die gleichen Schlagzeilen wie heute. Nämlich, dass wir eine innovative Einrichtung sind, die im Interesse der ihr anvertrauten Menschen versucht, das Optimum rauszuholen.

PT: „So geht es! 600 Schülerinnen und Schüler mit und ohne Sehbeeinträchtigung leben und lernen auf dem blistaCampus.“

Herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Thorsten Büchner.