„Leben. Bildung. Partizipation“

Auf der Bühne stehen neben Patrick Temmesfeld und Ulrike Bauer-Murr Thorsten Büchner sowie der Audiokommentator und die Gebärdendolmetscherinnen
Die VBS-Vorsitzenden Patrick Temmesfeld und Ulrike Bauer-Murr eröffnen den Kongress

Eröffnungsfeier sendet wichtige Impulse in die VBS-Kongresswoche

Imke Troltenier und Thorsten Büchner | Vorab riefen die Glocken der Elisabethkirche zu einem wunderschönen „spirituellen Impuls“ mit Musikbeiträgen von Schüler*innen aus Rückersdorf, dem Bläserensemble um Karl Reissig, Reflexionen über unsere Hände und farbige Bändel, die die Besucher*innen kreativ verknüpften. Dann öffnete das Erwin-Piscator-Haus seine Tore. Über 600 Gäste strömten zur festlichen Auftaktveranstaltung vom 37. Kongress des Verbands für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik (VBS).

„Nach dem letzten VBS-Kongress 2016 im wunderbaren Graz freuen wir uns, Sie alle heute im schönen Marburg begrüßen zu dürfen! Auf diesen Moment haben wir nun sieben Jahre gewartet. Der VBS-Kongress unter dem Motto ‚Leben. Bildung. Partizipation: individuell - spezifisch – flexibel‘ ist hiermit eröffnet!“ Patrick Temmesfeld und Ulrike Bauer- Murr war die Freude über den bevor-stehenden Austausch auf wissenschaftlicher, professioneller und ganz persönlicher Ebene anzumerken, als die beiden VBS-Vorsitzenden im gefüllten Erwin-Piscator-Haus den Kongress offiziell eröffneten. Begleitet wurde die gelungene Feierstunde von zwei Gebärdensprach-Dolmetscherinnen und einer Live-Audiodeskription von T-OHR, die für die blinden Besucher*innen das Bühnenbild, die Räumlichkeiten sowie die auftretenden Redner*innen und Musiker*innen beschrieb (Bild 2, links). Diese Kommentierungen sorgten auch bei den überwiegend sehenden Gästen der Veranstaltung für so manche „Aha-Effekte“, denn der Blick von außen bot so manche Überraschung über die Wahrnehmung des Erscheinungsbildes.

    Bild 1: Videobotschaft Jürgen Dusel, Bild 2: Moderator Thorsten Büchner mit Florian Schneider von T-OHR, Bild 3: Hans-Werner Lange, Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV),

    Moderator Thorsten Büchner führte charmant und humorvoll durch die knapp zweistündige Veranstaltung. (Bild 2, rechts). Zunächst machte der Schirmherr des VBS-Kongresses, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Jürgen Dusel, in seiner Videobotschaft die Bedeutung von Digitalisierung für die Teilhabe von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung deutlich (Bild 1). Er wünschte dem Kongress „viele Möglichkeiten zum Austausch und ein gutes Gelingen.“

    Die große Bedeutung chancengleicher Bildung unterstrich Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn: In der Bildung junger Menschen liege das Zukunftspotenzial unserer Gesellschaft. Sie ging auf die spezifischen Bedarfe von Menschen mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung ein und dankte den Kongress-Teilnehmer*innen „für ihren leidenschaftlichen und unermüdlichen Einsatz“.

    Marburgs Bürgermeisterin Nadine Bernshausen hob die Impulse hervor, die schon oft von Marburg ausgegangen seien und wünschte „diesem Kongress die Strahlkraft, Dinge in Bewegung zu bringen und zu Veränderungen beizutragen.“ Anschließend setzte die Sängerin Cynthia Nikschas zusammen mit den Musikern Olaf Roth und Dirk Kunst mit dem Live- Song „Alles gleich Mensch“ ausdrucksstark die passenden Akzente.

    Im wissenschaftlichen Eröffnungsvortrag ging Prof. Dr. Ulrich Heimlich von der Ludwig-Maximilians-Universität München der Zukunftsfrage unter dem Titel „Quo vadis Sonderpädagogik?“ nach. Er betonte die Bedeutung regionaler Netzwerke für mehr und bessere Inklusion junger Menschen. Dabei sehe er Sonderpädagog*innen in der Rolle als Botschafter*innen hin zu mehr Individualisierung in Schule und Freizeit an.

    Premiere feierte der neu komponierte blista-Song, der unter der Leitung von Olaf Roth von blista-Schüler*innen getextet, eingesungen und aufgrund der verdienten Sommerferien im Vorfeld aufgezeichnet und per Video in die Eröffnungsfeier eingebunden wurde.

    Erwin Denninghaus erinnerte in seinem historischen Kurzbeitrag an die starke Tradition der Kongresse für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik. Er verdeutlichte am Beispiel des ersten Kongresses vor 150 Jahren, 1873 in Wien, dass Themen wie Bildung und Teilhabe „uns bis heute begleiten und nichts an ihrer Aktualität verloren haben“.

    Bei der spontanen Abfrage des Moderators Thorsten Büchner, wer denn im Saal die meisten VBS-Kongresse besucht habe, stand der international geschätzte Pionier Dennis Cory auf. Er hatte das Langstocktraining Anfang der 1970er Jahre zusammen mit seiner Frau Pamela an die blista und nach Deutschland gebracht.

    „Roter Trachtenjanker, Sonnenbrille, weißes Haar …“ als letzten Redner beschrieb Florian Schneider von T-OHR den Präsidenten des Deutschen Blinden-und Sehbehindertenverbandes (DBSV), Hans-Werner Lange (Bild 3). Dieser hob die enge Partnerschaft zwischen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe und dem Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik (VBS) hervor: „Wir arbeiten eng zusammen, was sich auch in der Programmgestaltung dieses Kongresses eindrucksvoll wiederspiegelt.“ Anschließend machten sich die rund 600 Gäste zu Fuß, mit dem Shuttlebus oder E-Bike auf den Weg zum blistaCampus, wo sie in der Kongresswoche rund 200 Vorträge, Workshops und inhaltliche Angebote sowie ein umfangreiches Freizeitprogramm erwartete.