KulTür Bühne frei - Barrierefrei

blista-Schülerin arbeitet am Laptop

blista-Schülerin Gina-Marie Eichhoff plädiert in Live-Show für digitale Barrierefreiheit

von Thorsten Büchner

Es war gleich in doppelter Hinsicht ein besonderer Abend Mitte Juni im Marburger Kulturzentrum KFZ. Der Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen (BSBH) lud zusammen mit dem KFZ und der blista zu „einem kulturellen Experiment“, ein, wie Organisator Michael Doogs vom BSBH  gleich zu Beginn der Veranstaltung zugab. Zum ersten Mal gab es den legendären „Marburger Abend“, ein Open Stage Spezial, mit Live-Audiodeskription für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung. Zwei Gebärdensprachdolmetscherinnen übersetzten für Menschen mit Hörbehinderung. Unter dem Motto „KulTür Bühne frei – Barrierefrei“ präsentierte Moderator Bernd Waldeck vom KFZ ein buntes, vielfältiges Programm aus Show, Unterhaltung, Musik und Information.

Seit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie war es für das KFZ die erste Veranstaltung, die wieder mit „echtem Publikum“ stattfinden durfte. Wo sonst rund 400 Gäste Platz finden, war nun aufgrund der vorgeschriebenen Abstandsregeln und Hygieneverordnungen lediglich Platz für 40. Alle Gäste, egal ob blind, sehbehindert oder sehend, wurden zum Platz begleitet und  mit Getränken versorgt, um unnötigen Begegnungsverkehr und Andrang am Getränketresen zu vermeiden. So wurde diese Veranstaltung für die Gäste vor Ort, unter anderem Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und den stellvertretenden blista-Vorsitzenden Patrick Temmesfeld, zu einem ganz besonders exklusiven und imposanten Erlebnis. Um mehr Menschen als den vierzig Auserwählten „KulTür“ - „Weil barrierefreie Kultur Türen öffnet“, so Michael Doogs und Bernd Waldeck gleichlautend zum Motto des Abends -  zugänglich zu machen, wurde das abendfüllende Programm per Live-Stream auch ins Internet übertragen, so dass sich viele neugierige Besucherinnen und Besucher von zuhause dazuschalten konnten.

Florian Schneider von T_Ohr, dem „Zentrum für Sehbehinderten- und Blindenreportage in Gesellschaft und Sport“ sorgte für die Live-Audiodeskription und so manchen Aha-Effekt beim Publikum.  Als er etwa bei der Breakdance-Performance der Marburger „Funky Harlekinz“ die enormen Verrenkungen und Bewegungsabläufe so detailliert beschrieb, dass „einem nur schon vom Zuhören schwindelig wurde“, wie einer der blinden Gäste hinterher verblüfft feststellte.

blista-Lehrer Jens Flach mit Gitarre

Beim Auftritt des rund um Marburg bekannten blinden Singer-Songwriters und blista-Lehrers Jens Flach konnte sich Schneider auf einige wenige Beschreibungen beschränken, weil die einfühlsame und kraftvolle Musik von Flach für sich selbst sprach.

Gastgeber Michael Doogs vom BSBH machte im Interview mit Moderator Bernd Waldeck deutlich, wie wichtig das Thema Barrierefreiheit auch im kulturellen Bereich sei. Er wünsche sich, dass „dieser Abend nicht der einzige barrierefreie Kulturgenuss bleibt.“  

Mit welchen Barrieren blinde Menschen im digitalen Alltag zu kämpfen haben, zeigte blista-Schülerin Gina-Marie Eichhoff in einem eigens entwickelten Kurzfilm. Darin erklärt Gina, was es braucht, damit blinde Menschen sich etwa auf Webseiten mit ihren Screenreadern gut orientieren und auch navigieren können oder wie man Bilder so beschreibt, dass sie von blinden Nutzerinnen und Nutzern auch erkannt werden.

Im anschließenden Interview wünschte sich Gina „mehr Verständnis für die Belange von blinden und sehbehinderten Menschen, gerade auch im digitalen Bereich.“ „Schließlich will ich ja was, wenn ich auf einer Webseite mit meinem Screenreader herumsurfe. Da nervt es einfach tierisch und kostet unendlich viel Zeit, wenn ich das, was ich suche, nicht finden kann, weil es nicht barrierefrei aufbereitet ist. Dabei ist Barrierefreiheit nun wirklich nicht so kompliziert.“

Weitere kulturelle Highlights waren die Kurzauftritte des Mainzer Comedian Boujemaa und die improvisierten Spielszenen des „Fast Forward Theatre“ aus Marburg. Tom Gerrits und Martin Esters machte es spürbar Spaß mit der Live-Audiodeskription zu spielen, wenn sie beispielsweise besonders lange expressive Gesten vollführten und gespannt darauf warteten, wie Florian Schneider diese beschreiben und deuten würde. Moderator Bernd Waldeck verblüffte zum Schluss des Abends noch mit Zaubertricks, die dank der Beschreibung von Florian Schneider auch den blinden Gästen vermittelt werden konnten. Den Trick dahinter konnte aber auch die Audiodeskription nicht lüften. So ging ein unterhaltsamer, bunter und entspannter Abend zu Ende.