Zeitenwende - vom Leben nach der blista

Hofgarten Ansbach
Hofgarten Ansbach

Beamter in der bayerischen Staatsfinanzverwaltung

Von Daniel Ammon, Abitur 2014

Sommer 2014: Jetzt stand mir die Welt offen. Sieben schöne Jahre an der Carl-Strehl-Schule in Marburg lagen mit Aushändigung des Abiturzeugnisses hinter mir. Der beschaulichen Studentenstadt an der Lahn sagte ich Auf Wiedersehen und wandte mich meiner alten Heimat Bayern zu.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits einen konkreten Berufswunsch: Beamter. Eher der sichere Arbeitsplatz als – um das Klischee zu bedienen – stundenlanges Kaffeetrinken und während der Dienstzeit im Büro zu schlafen, reizte mich am öffentlichen Dienst. Auch hatte ich während der Berufsorientierungstage in der Oberstufe schon zwei Wochen am heimischen Landratsamt in die öffentliche Verwaltung hineinschnuppern können.

Um eine Ausbildung im bayerischen Staatsdienst beginnen zu können, ist allerdings ein zentrales Auswahlverfahren zu bestehen. Doch genau an diesem Tag im Oktober 2013 befand ich mich auf unserer Abschlussfahrt zum Gardasee, sodass ich für das nächste Jahr eine Alternative brauchte.

Residenz Ansbch
Residenz Ansbach

Da mir das Schreiben schon immer leicht fiel, entschied ich mich für ein Journalismus-Studium an der Hochschule Ansbach. Dort studierte ich vier Semester, während ich weiterhin versuchte, meinen eigentlichen Berufstraum zu verwirklichen.

„Ich bin nicht beim Finanzamt“

Der Tag des Auswahlverfahrens für das Einstellungsjahr 2016 war da. Beim schriftlich abzulegenden Test musste ich Fragen zur Allgemeinbildung sowie logischem und mathematischem Denken innerhalb von vier Stunden beantworten.

Nach einigen Monaten erhielt ich dann das Ergebnis, das sich aus der Note des Tests und den Schulnoten des Abschlusszeugnisses der Fächer Deutsch und Mathematik zusammensetzte. Auf Basis dieser Endnote wird dann eine bayernweite Liste erstellt, nach der die staatlichen Behörden ihre Bewerber zu Vorstellungsgesprächen einladen. Also galt es für mich, erst einmal abzuwarten. Natürlich hatte ich mich während dieser Zeit auch bei weiteren Stellen beworben. Aber dann erhielt ich die Möglichkeit, eine Ausbildung beim Landesamt für Finanzen zu beginnen. Ausbildungsort wäre die Dienststelle Ansbach; also in jener beschaulichen Beamtenstadt, in der ich bereits studierte.

Doch was macht diese Behörde genau? Auch mir war sie vorher unbekannt. Vorneweg: Es ist nicht das Finanzamt. Das Landesamt für Finanzen (LfF) ist eine Landesoberbehörde, die dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat direkt unterstellt ist. In allen sieben Regierungshauptstädten bestehen Dienststellen. Das LfF ist für die Festsetzung und Abrechnung der Bezüge der Beamten, Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Freistaates Bayern sowie für die Auszahlung von Reisekosten, Kindergeld und Beihilfe zuständig.

Nachdem ich alle nötigen Unterlagen an die Zentralabteilung nach Würzburg geschickt hatte, die die Ausbildung organisiert, erhielt ich Mitte Februar 2016 einen Termin für ein Vorstellungsgespräch in Ansbach. Neben der Dienststellenleiterin waren der örtliche Ausbildungsleiter und die Schwerbehindertenvertretung anwesend. Schnell war klar, dass ich gut in diese Behörde passen würde und die Dienststellenleiterin sicherte mir sofort jegliche Unterstützung zu.

Das Landesamt bot mir im Vorfeld eine Hilfsmittelerprobung am Berufsförderungswerk Würzburg an. In diesen drei Tagen testete ich verschiedenste Hilfsmittel, die mir die Ausbildung erleichtern sollten. Durch meine Kurzsichtigkeit bin ich auf vergrößernde Hilfsmittel angewiesen. So schaffte die Behörde für mich neben einem Laptop mit Vergrößerungssoftware einen 27-Zoll-Monitor, ein mobiles Kamerasystem und eine elektronische Leselupe an. Zudem wurde noch eine Arbeitsplatzbegehung vor Ort durchgeführt.

Zwei Jahre hartes Lernen

An meinem ersten Arbeitstag erhielt ich die Ernennungsurkunde zum Beamten auf Widerruf aus den Händen des stellvertretenden Dienststellenleiters. Dies war ein feierlicher Moment. Zur Orientierung und zwecks Erprobung der Hilfsmittel fand meine Ernennung eine Woche vor dem regulären Ausbildungsbeginn statt. Am 1. September erschienen dann meine Mitauszubildenden und wir lernten zusammen die Örtlichkeiten kennen. Die Aufnahme durch Kollegen und Mit-Azubis war freundlich und meine Sehbehinderung kein großes Thema, sodass ich mich bereits zu Beginn gut integriert fühlte.

Die zweijährige Ausbildung gliederte sich in neun Monate Theorie- und 16 Monate Praxisabschnitte. Die Theorie vermittelten uns haupt- und nebenamtliche Dozenten an der Landesfinanzschule Ansbach (LFS), Außenstelle Herrieden. Dort hatte jeder ein Einzelzimmer, also optimale Bedingungen zum Lernen.

Die Hilfsmittel kamen mit an die Schule, sodass ich damit den Unterricht gut verfolgen und bewältigen konnte. In der Fachtheorie mussten wir mit dicken Gesetzesordnern arbeiten. Die Dozenten verwendeten zur Wissensvermittlung Tafel und Beamer. Das mobile Kamerasystem ermöglichte mir das Ablesen der Tafelanschriften. Man muss sich die Lehrgänge als Frontalunterricht im Klassenverbund wie in der guten alten Schulzeit vorstellen. Wir waren mit 22 Anwärtern die kleinste von drei Klassen.

Alle Dozenten boten mir bereits ab der ersten Stunde ihre Unterstützung an; etwa aufgelegte Texte länger liegen zu lassen, damit ich in Ruhe die dort angebrachten Verweise in meine Gesetze übertragen konnte. Doch meistens war ich damit früher fertig als so mancher Mitschüler.

Doch was lernt man jetzt eigentlich hier? Auf dem Stundenplan standen die klassischen Bezüge-Fächer, wie Besoldungs-, Tarif- und Versorgungsrecht. Auch Beamtenrecht, Staatskunde und Haushaltsrecht mussten wir uns aneignen. Vormittags fand der Unterricht statt, danach mussten wir Übungen erledigen, die das Erlernte vertiefen und uns auf die Prüfungen am Ende jedes Lehrganges vorbereiten sollten. Der Einstieg in die doch auf den ersten Blick trockene und langatmige Rechtsmaterie gelang mir relativ gut.

Ich habe zu Beginn einen Antrag auf Zeitverlängerung bei Prüfungen gestellt. Diesen genehmigte die LFS nach einer Begutachtung durch den Amtsarzt. Auch hier half mir meine Hilfsmittelausstattung, die Prüfungen von verschiedenster Länge zu bewältigen.

Nach dem ersten Theorieabschnitt im Dezember 2016 war ich ganz schön geschafft. Nun freute ich mich auf die abwechslungsverheißende Praxisphase in der Behörde.

Ich durchlief die Abteilungen im örtlichen Amt, so wie jeder Anwärter. Aufgrund meiner Hilfsmittel setzten sich die Sachbearbeiter zu mir an den Schreibtisch, was für alle eine Umstellung war; schauen ihnen doch normalerweise die Anwärter beim Arbeiten über die Schulter. Schnell und sicher erledigte ich die mir gezeigten Tätigkeiten, was natürlich positiv ankam. Da das Vergrößerungssystem einwandfrei mit den Computerprogrammen des LfF kompatibel ist, war ich immer sofort einsatzbereit. Das war nicht selbstverständlich, fragten sich doch die IT-Verantwortlichen im Vorfeld, ob die Programme sich vertragen würden. Bei jedem Standortwechsel zog dann die gesamte Ausrüstung zur nächsten Ausbildungsstätte mit – sogar quer durch Bayern mussten wir reisen.

St. Gumbertus Ansbach
St.Gumbertus

Viel zu schnell verging der Praxisabschnitt und die nächsten Theoriewochen rückten unaufhaltsam näher. Zügig schaltete ich wieder ins Lernen um. Neue Fächer kamen hinzu: Sozialversicherungsrecht und Lohnpfändung waren nicht nur für mich bis eine Stunde vor der Klausur ein Buch mit sieben Siegeln. Da der zweite Lehrgang im Sommerhalbjahr stattfand, waren gemeinsame Grillabende und sonstige Feiern eine schöne Abwechslung zu den langen Lernnachmittagen. Dadurch rückte die Klassengemeinschaft enger zusammen.
Erneut wiederholten sich Prüfungen und Berufspraxis. Dann kam Anfang 2018 der gefürchtete Schlusslehrgang, an dessen Ende im April die Qualifikationsprüfung für den Einstieg in die zweite Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit fachlichem Schwerpunkt Staatsfinanz stand.

Bis einen Tag vor der Qualifikationsprüfung, versuchten uns die Dozenten neuen Stoff beizubringen. Wir waren alle nervlich am Ende. Bis dahin konnte ich eine recht gute Leistung vorweisen, also würde die letzte Hürde doch auch zu meistern sein, dachte ich mir.

Und ja: Ich schaffte sie. Die mündliche Prüfung im Juli in Würzburg komplettierte den Prüfungsmarathon. Damit konnte ich den Vorbereitungsdienst erfolgreich beenden. Zum 1. September 2018 wurde ich dann zum Regierungssekretär ernannt und darf nun die Berufsbezeichnung „Verwaltungswirt“ führen. Da Bayern nach Bedarf ausbildet, stand eine Übernahme bereits zu Beginn fest.

Der Abschlussball mit Aushändigung des Prüfungszeugnisses an der LFS bildete Ende Oktober 2018 einen schönen Abschluss für zwei Jahre harten Arbeitens und Lernens.

Irgendwer ist immer der Erste

Mein Fazit: Ich war sowohl beim Landesamt für Finanzen, als auch an der LFS der erste Anwärter mit einer Sehbeeinträchtigung, der diesen fachlichen Schwerpunkt absolvierte. Dafür, dass bis dato dort keine Erfahrungen mit Sehbehinderten gemacht wurden, lief die Ausbildung fast schon reibungslos ab. Ich befürchtete zu Beginn des ersten Theorieabschnittes, dass das Tempo zu schnell sein würde und ich Probleme hätte hinterherzukommen. Dies war über die drei Lehrgänge bei den verschiedensten Dozenten, die in manchem Fach jedes Mal wechselten, überhaupt nicht der Fall. Auch die Sachbearbeiter/innen in den Praxisabschnitten waren mir gegenüber positiv aufgeschlossen und interessierten sich für meine elektronischen Hilfsmittel. Also kann ich nur Positives vermelden.

Jedoch hatte ich auch das Glück, dass an den obersten Stellen die richtigen Leute saßen, die mir von Anfang an mit Rat und Tat zur Seite standen und mit denen ich mich bereits im Vorfeld viel darüber austauschen konnte, wie die Ausbildung für mich gut zu bewältigen wäre. So viel Unterstützung bereits von Beginn an hatte ich nicht erwartet. Selbst im öffentlichen Dienst ist dies keineswegs selbstverständlich. Bevorzugt wurde ich jedoch zu keinem Zeitpunkt. Ich musste die gleichen Leistungen erbringen wie die anderen auch.

Aktuell bin ich in der Bezügeabrechnung für Arbeitnehmende eingesetzt und für einen Buchstabenabschnitt selbst verantwortlich. Ruhige Tage kommen da nur selten vor. Nach Feierabend profitiere ich sogar noch von meinem Journalismus-Studium. Die freie Mitarbeit bei einer Zeitung ist ein schöner Ausgleich zum Hauptberuf.

Ach ja: Kaffeetrinken kann ich nur in den Pausen und Schlafen muss ich doch zu Hause. Auch ich als Beamter muss normal für mein Gehalt arbeiten. Und Steuern zahlen muss ich auch.
Es war die richtige Entscheidung, diese doch relativ unbekannte Ausbildung gemacht zu haben. Man muss das Glück packen, wenn es einem über den Weg läuft.