30 Jahre IT-Ausbildung

Whatever you do - think diverse

blista feiert 30 Jahre IT-Ausbildung und Kooperation mit SAP SE

Jürgen Mai*. Das Bildungswesen ist oft schnelllebig. Viele Projekte können nach Ablauf einer ersten Förderphase nicht dauerhaft aufrechterhalten werden, ein Projektantrag jagt den nächsten. Dass eine Initiative sich derart nachhaltig verstetigt, dass sie ihren 30-jährigen Geburtstag feiert und den Sprung zum selbstverständlichen Regel-Angebot eines Bildungsträgers bewältigt, ist fürwahr eine Besonderheit. Dies ist der IT-Ausbildung der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) gelungen, die aus diesem Anlass Ende September 2015 zur Feierstunde eingeladen hatte.

Die Idee, blinden und sehbehinderten Menschen eine IT-Ausbildung zu ermöglichen, wurde im Jahr 1985 bei der blista erstmals in die Tat umgesetzt. In ihren Begrüßungsreden riefen blista-Direktor Claus Duncker wie auch Volker Breustedt als Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Marburg das damalige Zeitgeschehen in Erinnerung: Die Schweiz führte die Autobahnmaut ein, Michail Gorbatschow wurde Generalsekretär der KPdSU, das SGB III ist noch Zukunftsmusik, Windows 1.01 wird vorgestellt und Bayer Uerdingen gewinnt durch ein 2:1 gegen Bayern München den DFB-Pokal. 30 Jahre später ist die KPdSU längst Geschichte, Bayer Uerdingens Nachfolgeverein KFC spielt fünftklassig. Die IT-Ausbildung der blista unter der Leitung von Michael Zulauf hingegen ist quicklebendig. 151 erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen sind eine ebenso stolze Zahl wie die Quote von über 80?%, die im Anschluss einen sicheren Arbeitsplatz finden. Die Rehabilitationseinrichtung (RES) als für die IT-Ausbildungen und Umschulungen verantwortliche Einheit der blista zählt mittlerweile zu den größten und vielfältigsten ihrer Art in ganz Europa. Breustedt lobte neben der jahrelangen guten Kooperation zwischen blista und Agentur für Arbeit auch das permanente Bemühen um Weiterentwicklung und Innovation, wie die Ernennung der blista zum „Kompetenzzentrum für barrierefreie IT“ im Sommer 2015 zeige.

Gerhard Oettinger am Rednerpult, neben ihm steht ein großes blista-Roll-up mit Werbung für die IT-Ausbildung
Gerhard Oettinger am Rednerpult, neben ihm steht ein großes blista-Roll-up mit Werbung für die IT-Ausbildung © blista 2015

Der Übergang von der Ausbildung in den Beruf steht bei der blista weit oben auf der Tagesordnung. Unterschiedliche Kooperationen mit Unternehmen werden daher aktiv gepflegt. Ein Leuchtturmprojekt ist die Zusammenarbeit mit SAP SE, die im Jahr 2014 im Anschluss an eine Übungsfirmenmesse entstanden ist. Der Softwarekonzern ist das erste DAX-Unternehmen, das einen Aktionsplan zur Umsetzung des Übereinkommens der UN über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erstellt hat. Über den Status dieses Aktionsplans und die Zusammenarbeit zwischen SAP und blista berichteten unter dem Motto „Whatever you do - Think diverse!” die SAP-Vertreter Natascha Jörger (HR Project Senior Consultant), Gerhard Oettinger (University Alliances D-A-CH), Oliver Keim (Usability) und Alexander Kuban (IT ­Accessibility), der einst selbst die IT-Ausbildung bei der blista in Marburg absolviert hat. Im Aktionsplan des Konzerns wurde im Handlungsfeld „Ausbildung, Bildung und Qualifikation“ als Ziel definiert, die Schulungssoftware SAP4school behindertengerecht zu gestalten: „Das Ziel ist die Erstellung eines didaktischen und barrierefreien Lehrkonzepts mit allen erforderlichen Medien und Werkzeugen. Damit werden alle Voraussetzungen geschaffen, dass blinde Menschen im Rahmen ihrer Ausbildung auch den Einsatz und Umgang mit SAP-Systemen erlernen.“ SAP4school ist eine Lernplattform, die Schülern und Auszubildenden einen Überblick zu allen Komponenten von SAP vermittelt, die bei der täglichen Arbeit be­nötigt werden. Das Projekt kommt gut voran und soll im Bereich Materialwirtschaft bereits in wenigen Monaten eingesetzt werden.

Alexander Kuban steht mit Mikrofon neben dem Rednerpult
Alexander Kuban steht mit Mikrofon neben dem Rednerpult © blista 2015

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen – unter diesem Schlagwort lässt sich die anschließende von Thorsten Büchner moderierte Podiumsdiskussion mit sechs ehema­ligen Auszubildenden zusammenfassen. Die sehr kurzweilige Runde mit Vertretern aus allen drei Jahrzehnten veranschaulichte die Ausdifferenzierung des Ausbildungsberufs ebenso wie den Wandel der Programmiersprachen. Wurden anfangs Datenverarbeitungskaufmänner und -frauen ausgebildet, so umfasst das Ausbildungsangebot heute zwei Richtungen: Einerseits Informatikkauffrauen, andererseits Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung.

Auch wurde aus den Erzählungen der Teilnehmer deutlich, wie vielfältig die Anschluss- möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt sind und dass die IT-Ausbildung wichtige Schlüsselqualifikationen vermittelt, die auch einen späteren Einsatz in einem Nicht-IT-Umfeld ermöglichen. Bei der Abschlussfrage, was sie der blista gerne für die nächsten 30 Jahre ­IT-?Ausbildung ins Stammbuch schreiben möchten, betonten die Diskutanten nahezu unisono die permanente Orientierung an aktuellen Technologien und Programmiersprachen.

Jürgen Nagel am Rednerpult

Diese Vorlage nahm Jürgen Nagel in seinem Schlusswort gerne auf. „Der 30. Geburtstag lässt uns guten Gewissens sagen, dass die IT-Ausbildung die Jugend-Phase erfolgreich abgeschlossen hat“, so der Leiter der RES, für den dieses Datum „Abschied und Start zugleich“ bedeutet. Neben der ständigen Aktualisierung und Verbesserung der Ausbildungsinhalte hat sich die blista laut Nagel vorgenommen, „mit Kreativität und Weitblick“ noch mehr Verbindungen zur IT-Arbeitswelt zu schaffen.

* Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit

Orientierungstage der IT-Ausbildungen 2016

Vom 26. bis 29. Januar 2016 lädt die blista zu Orientierungstagen der IT-Ausbildungen für blinde und sehbehinderte Menschen ein. Ansprechpartner ist Ausbildungsleiter Michael Zulauf, Telefon 06421 12 139, E-Mail it-ausbildung@blista.de.