Editorial 1/2017

blista-Direktor Claus Duncker

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir alle wissen, was ein Spagat ist. Wer kennt nicht diese Turnübung? Der Begriff wird ­häufig aber auch im übertragenen Sinne ­benutzt, um auszudrücken, dass jemand ­versucht, zwei gegensätzliche Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen.

Wenn ich an die zukünftige Ausrichtung der blista denke, dann stehen wir vor so einem Spagat. Wir sind eine Einrichtung für blinde und sehbehinderte Menschen. Wir unterrichten an einem Gymnasium mit spezieller Förderung, damit blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche gleichberechtigt einen qualifizierten Schulabschluss erlangen können. Und viele unserer Schülerinnen und Schüler sind froh, nicht täglich ihre Sehbeeinträchtigung erklären zu müssen. Nicht gut sehen zu können ist bei uns nicht erwähnenswert.

Gleichzeitig erlebe ich immer häufiger die Frage von Eltern, wie wir den Kontakt ihres Kindes mit der Welt der Sehenden sicherstellen wollen. Natürlich haben wir im Freizeitbereich gemeinsame Aktivitäten mit den örtlichen Vereinen. Viele unserer Oberstufenschüler besuchen Grund- und Leistungskurse an den örtlichen Gymnasien. Ein gemeinsamer Schulalltag sieht aber doch noch etwas anders aus.

Ein Anspruch, Regel- und Förderschule zugleich zu sein, ist der erfüllbar? Wir wollen es auf jeden Fall versuchen und haben uns für einen besonderen Weg entschieden: ein Campus – zwei Schulen. Wie Sie wissen, hat die Montessori Grundschule vor ein paar Jahren auf dem blista- Gelände eine neue Heimat gefunden. Es hat sich ein sehr gutes, buntes Miteinander entwickelt. Schulische Berührungspunkte gibt es aber zwischen einer Grundschule und einem Gymnasium schon wegen der Altersunterschiede eher nicht. Um hier eine weitere Kooperation zu ermöglichen, befindet sich die blista in der Gründung einer Montessori Schule für die Klassen 5 bis 10. Die Genehmigungsanträge sind bei der Schulaufsicht eingereicht und wir sind optimistisch, mit dieser Schule zum Schuljahr 2018/19 ­beginnen zu können.

Dann gäbe es auf unserem Campus zwei Schulen: die Carl-Strehl-Schule als Förderschule und die Montessori Schule von der Klasse 1 bis 10. Zwei selbstständige Schulen, die in vielen Bereichen zusammenarbeiten könnten, denn die Bildungs- und Unterrichtsprinzipien beider Schulen liegen sehr nahe beieinander. Warum also nicht gemeinsame Sportangebote oder eine vierte Fremdsprache oder Musik zusammen unterrichten? Daneben werden sich die Schüler auf dem Campus, im Speisesaal oder der Cafeteria ­begegnen und ein selbstverständliches Miteinander entwickeln.

Unsere Zukunft gehört dann einem Bildungscampus, der von der Förderung der eigenen Kompetenzen, einem gleichberechtigten Miteinander und sozialer Verantwortung geprägt ist. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesem Schritt den Erwartungen und Bedürfnissen von Schülern und Eltern noch besser gerecht werden können.

Ihr Claus Duncker