Buchtipp: Hélène Jousse

Buchcover von Helene Jousse, Die Hände des Louis Braille

Die Hände des Louis Braille

Wer war dieser Louis Braille, Erfinder und Namensgeber der Brailleschrift? In ihrem Erstlingswerk versucht die Autorin Hélène Jousse eine Annäherung an die historische Person Louis Braille. Ihre Protagonistin Constance bekommt in dem Roman den Auftrag, ein Drehbuch über Louis Brailles zu schreiben, der 1809 im Dorf Coupvray in der Nähe von Paris aufgewachsen ist und mit drei Jahren durch einen Unfall in der Sattlerwerkstatt seines Vaters erblindete.

Mit 10 Jahren kommt er auf die erste Blindenschule Frankreichs in Paris. Dort hofft Louis endlich Zugang zum Wissen der Welt in Form von Büchern zu bekommen. Doch im Institut findet er zunächst nur einen sadistischen Direktor vor und das Internat entpuppt sich als tuberkulöse Todesfalle. Die sogenannte Bibliothek besteht nur aus zwanzig riesigen Wälzern in Reliefschrift, einer erhaben gedruckten Schwarzschrift, die völlig ungeeignet ist, blinden Menschen das Lesen von Texten zu ermöglichen. Und doch wird Louis den Rest seines Lebens in diesem Institut zunächst als Schüler, dann als Lehrender verbringen. Schon mit 16 entwickelt er die später nach ihm benannte "Brailleschrift" aus einer Kombination von sechs Punkten, die so angeordnet sind, dass sie die Fingerspitze zum Auge machen. Die einzelnen Szenen aus Louis Kindheit auf dem Land und seinem Leben im Internat werden von Constance nun immer wieder neu überarbeitet und geprüft.

Sie will ihren Louis, seine Gedankenwelt, aber auch die seiner Eltern und Weggenossen, möglichst authentisch darstellen. Louis wird immer mehr zu einem Teil von ihr selbst, zu Constances Kind. Sie beginnt, die professionelle Distanz zum Thema zu verlieren.

Hélène Jousses Roman ist so etwas wie ein „Making of Louis Braille“. Ihre Constanze erschafft trotz dürrer Datenlage einen Louis Braille, so wie er gewesen sein könnte – oder eben auch nicht. Jousse formt aus einem bekannten Stoff, indem sie Constance und Louis über die Jahrhunderte miteinander verbindet, literarisch etwas ganz Neues – nur was Louis Braille angeht ist der Leser am Ende nicht wirklich schlauer, denn belastbare schriftliche Quellen über ihn sind nach dem Umzug des Instituts im Jahr 1844 in ein neues Gebäude zum Großteil verloren gegangen. Allgemein bekannt sind nur die äußeren Lebensumstände in dieser Zeit, die geprägt waren von den Verwüstungen in Europa durch die napoleonischen Kriege. So wird das Institut den Quellen zufolge als Labyrinth, als „engen, scheußlichen und düsteren Ort, eine ins blinde Gesicht der Kinder geschleuderte Herausforderung“, beschrieben. 1852 stirbt Louis Braille an Tuberkulose, mit der er sich bereits vor Jahrzehnten infiziert hatte. Ein gelungener und lesenswerter Roman zum Thema Louis Braille.

  • Als DAISY-Hörbuch in der DBH ausleihbar, Bestellnummer 1466861