So geht Barrierefreiheit für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung
Sylvia Schwenger und Imke Troltenier | Barrierefreiheit hat viele Facetten. In Museen, bei Ausstellungen und kulturellen Veranstaltungen geht es für Menschen mit Seheinschränkungen zuallererst um das Wichtigste, den Zugang zu den Informationen. Gleichwohl sind ein barrierefreier Zugang zu den Ausstellungs-Ankündigungen und für ein sicheres Ankommen im Museum noch längst nicht genug.
Welche Ausstellungen gibt es derzeit in meiner Stadt? Lohnt sich ein Besuch? Wie erreicht man das Museum, das Konzert oder das Theater? Wird man sich als blinde Besucherin oder als hochgradig sehbehinderter Besucher am Ausstellungsort zurechtfinden? Und lohnt sich das überhaupt, wenn man schlecht sieht?
Gutes Ankommen
Die Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista) ist einer der größten Produzenten von Medien, Plänen und Hilfsmaterialien für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung im deutschsprachigen Raum. In diesem Bereich bieten die Expertinnen und Experten aus dem blista-Ressort „Kommunikation & Teilhabe“ eine breite Palette für Umsetzungen: barrierefreie Internet-Angebote und digitale Dokumente, Hörflyer, Audiobroschüren, Großdruck- und Braillepublikationen, Stadtpläne, Umgebungs- und Landkarten, Grundriss- und Detailpläne sowie Wegweiser durch Museen, Botanische Gärten oder Stadien und vieles mehr.
Die Möglichkeiten, tastbare Modelle und Pläne zu realisieren, sind so vielfältig wie die Materialien, die hier zum Einsatz kommen können. Ob Bronze, Corian, Folie oder 3D-Druck – grundsätzlich gilt es, für den jeweiligen Bedarf und Standort das Pro und Kontra abzuwägen und die projektierten Kosten im Auge zu behalten.
Die blista-Experten beraten daher ausführlich und erstellen auf Wunsch eine individuelle Konzeption für den Einsatz von taktilen und/oder kontraststarken Plänen und Tastmodellen im Innen- und Außenbereich.
Selbstständiges Orientieren
Übersichts- und Orientierungsmodelle helfen großen und kleinen Besuchern, sich im Museum zurechtzufinden. Sie geben Grundinformationen, stellen Lageverhältnisse dar und liefern Informationen, um den Aufzug, die Kasse oder die Waschräume zu finden.
Menschen mit visuellen Einschränkungen sind dabei auf die Beachtung von Barrierefreiheit angewiesen, erfahrungsgemäß erweisen sich die Kriterien für Barrierefreiheit aber für alle als angenehm und vorteilhaft.
Hinweisschilder geben nützliche Informationen für die Orientierung. Sie können für unterschiedlichste Anforderungen und in diversen Ausführungsarten hergestellt werden. Die blista empfiehlt dabei die Vorgaben der DIN 32986 für die Größenfestlegung und die kontraststarke Gestaltung von Schrift.
Eine Kombination von Hinweisschildern und Piktogrammen lohnt sich meist, denn sie erleichtert die selbstständige Orientierung.
Eine große Vielzahl an Beispielen für Mödelle und Pläne finden Sie auf den Internetseiten der blista im Bereich "Taktile Pläne, Medien und 3D-Druck".
Kunstgenuss ermöglichen
Skulpturen und Exponate, die betastet werden dürfen, zählen zu den grundlegenden Möglichkeiten, Kunst auf zugängliche Weise anzubieten.
Die Beschriftungen der jeweiligen Werke werden durch eine erhabene Profilschrift fühlbar. Zusätzlich kann auch mit Braille beschriftet werden. Junge Leute mit Blindheit bevorzugen in aller Regel die Punktschrift. Die Profilschrift richtet sich demgegenüber besonders an die große Zahl spät erblindeter älterer Menschen. Sie können die großen, erhabenen Buchstaben oft noch gut fühlen und erkennen, haben aber die Brailleschrift im Alter nicht mehr erlernt.
Die Umsetzung von Gemälden ist eines der spannendsten Themengebiete in Sachen Gestaltung für blinde und sehbehinderte Museumsbesuche. Es gilt die Intention der Künstlerinnen und Künstler zu erkennen und erkennbar umsetzten. Dabei ist nicht jedes Kunstwerk für eine taktile Umsetzung gleich gut geeignet.
Die Bildaufteilung, die Bedeutung von Strukturen, Farben und Formen, die Symbolik und künstlerische Verortung des Gemäldes … – im Austausch mit den Kuratorinnen und Museumspädagogen wird herausgearbeitet, wo der Schwerpunkt liegen soll und welche Inhalte man den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung vorstellen möchte.
Vielfältige Erfahrungen zeigen, dass mit der Umsetzung von Gemälden in tastbare Exponate oft Zusätzliches gelingt: Gerade auch – normal sehende – Kinder und junge Leute begeistern sich für Ausstellungen, in denen sich Kunst im doppelten Wortsinn als „be-greifbar“ darstellt.
Werke im Dialog erschließen
Nicht selten enthalten Gemälde so viele Details, dass man diese nicht mehr auf einer einzigen tastbaren Abbildung darstellen kann. Dann wird entsprechend der menschlichen Wahrnehmungsfolge gegliedert. Schritt für Schritt erarbeiten die Expertinnen und Experten aus der blista, die aufeinander aufbauende Ebenen des Kunsterfassens, um die Inhalte des Werkes im Detail zu verdeutlichen.
Ergänzt durch schriftliche und akustische Erläuterungen, die z. B. auf die Farbgebung oder den Pinselduktus näher eingehen, erleichtert die Darstellung das Verständnis für die unterschiedlichen Akzente und Perspektiven eines Kunstwerks.
Eine bedachte Auswahl der Werke, die aktive Einbindung von blinden und hochgradig sehbehinderten Personen während der Erstellung von Tastmodellen und eine Evaluationsphase tragen entscheidend dazu bei, dass die Umsetzungen aus der blista immer wieder auch bei Sehenden großen Anklang finden.
Führungen und Seminare
Nicht zuletzt unterstützen die Expertinnen und Experten aus dem blista-Ressort „Kommunikation & Teilhabe“ auch bei der Konzeption von Führungen für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung.
Darüber hinaus bietet die blista Seminare und Schulungen für die Sensibilisierung des Museumspersonals im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder und hochgradig sehbehinderter Personen an.
Nähere Informationen und Beratungstermine erhalten Interessierte beim blista-Ressort „Kommunikation & Teilhabe“ und den Experten für barrierefreie Medien, Am Schlag 2–12, 35037 Marburg, Telefon: 06421 606-0, Fax: -476, E-Mail: barrierefreie-medien@blista.de, Internet: www.blista.de/barrierefreie-medien