Marburg beendet die Blindenfußball-Bundesligasaison

auf dem undankbaren dritten Rang

Ali Pektas | Viel hatte sich das Team um Mannschaftskapitän Ali Can Pektas und Chefcoach Manfred Duensing für die Saison 2020 vorgenommen, wollten die Blindenfußballer der Sportfreunde Blau-Gelb blista Marburg den Meisterschaftstitel aus dem letzten Jahr verteidigen.

Aufgrund der Corona-Einschränkungen entschieden die Ligaträger, die Bundesliga von Mai in den September zu verlegen und das in einer einfachen Runde mit anschließenden Platzierungsspielen. In sechs Wochen (12. September bis 24. Oktober) wurden dann die Ligaspiele ausgespielt.

Ali Pektas am Ball vor dem gegnerischen Tor
© Carsten Kobow

Die Vorzeichen im Frühjahr standen auch nicht schlecht, als das Trainergespann ein solides Konzept insbesondere in der Corona-Krise erarbeitete, um die Mannschaft körperlich fit zu halten. Die ersten gemeinsamen Trainingseinheiten auf dem Platz mussten jedoch bis Mitte Juli pausieren, das sollte sich in der Saison noch rächen. So blieben der Mannschaft sechs Wochen bis zum Saisonstart, aber von regelmäßigem Trainingsbetrieb, um mannschaftstaktische Feinheiten einzuschleifen, konnte nicht die Rede sein, zu groß sind die Entfernungen der Wohnorte der Spieler voneinander. Da auch die Nationalmannschaftsaktivitäten stillstanden, blieb den Mittelhessen regelmäßiges Mannschaftstraining verwehrt.

Guter Saisonstart

Dennoch legte das Team einen Start nach Maß hin und bezwang den FC Schalke 04 im Eröffnungsspiel auf dem Erfurter Domplatz mit 5 : 0 und ließ zunächst an den Ambitionen, den Titel verteidigen zu wollen, keinen Zweifel aufkommen. Eine Woche später sollte es jedoch den ersten Dämpfer im Meisterschaftsrennen geben. Gegner war der FC St. Pauli, der sich vier Jahre hintereinander einen Platz im Finale erspielen konnte.

Die erste Halbzeit verschlief Marburg nahezu komplett. Zu übermotiviert führte man die Zweikämpfe und sah sich früh Foul-Problemen gegenüber. Zweimal musste Nationalkeeper Sebastian Themel bei jeweils einem Sechs- und Achtmeter- Strafstoß sein ganzes Können aufbieten. Die Lahnstädter konnten erst in den letzten 5 Minuten der ersten Halbzeit für gefährliche Akzente vor dem gegnerischen Kasten sorgen, aber überhastete Abschlüsse sowie ein stark parierender Hamburger Schlussmann sorgten für einen torlosen Halbzeitstand.

Gedanklich schien Marburg noch in der Halbzeitpause zu sein, als man postwendend nach dem Anstoß zur zweiten Halbzeit den Ball verlor und der schnell gespielte Angriff mit einem perfekten Abschluss den FC St. Pauli in Führung brachte. Nun drückte Marburg auf den Ausgleich und war zumindest balldominant, ohne sich zunächst nennenswerte Chancen erspielen zu können. Als Teamkapitän Ali Can Pektas einen Pauli-Konter unterband, musste er das Feld nach dem fünften persönlichen Foul auch noch mit 10 zu spielenden Minuten verlassen, wohl ein weiteres Indiz dafür, dass bei weitem nicht alles rund lief an diesem Tag. Unbeeindruckt versuchte es Marburg weiter und das Foul-Problem wurde nun dem FC St. Pauli zugesprochen. Den fälligen 8-Meter-Strafstoß vergab Marburg an den Pfosten und der FC St. Pauli gewann die Partie nicht unverdient mit 1:0.

Am nächsten Tag trafen die Sportfreunde auf die Spielgemeinschaft PSV Köln/ Hertha BSC Berlin und gewannen dieses Spiel klar und in der Höhe verdient mit 8:1.

Noch eine Chance bei Untentschieden gegen Stuttgart

Als dann Pauli auch noch den MTV Stuttgart bezwang, war klar, dass die Mittelhessen es noch selbst in der Hand haben ins Finale einzuziehen, also sollte das Spiel gegen Stuttgart zumindest nicht verloren werden.

In diesem Zeichen startete Marburg in die Partie gegen dem MTV Stuttgart, konnte aber insbesondere in den Anfangsminuten spielerisch kaum überzeugen. Als dann in der siebten Spielminute im Aufbauspiel ein Fehlpass zum 1:0 für Stuttgart führte, standen die Blau-Gelben mit dem Rücken zur Wand. In den darauffolgenden Minuten war der Schock des Gegentores spielerisch förmlich zu spüren und so stabilisierte sich das Team erst wieder in den letzten Minuten der ersten Halbzeit, konnte jedoch keine nennenswerte Chance kreieren. Eine deutliche Steigerung musste her, um das Spiel zu drehen, sollte das Finale nicht ohne Marburg stattfinden.

Close-up von Ali Can Pektas am Ball mit Fokus auf der Ballführung
© Carsten Kobow

Die Steigerung lieferte der fünfmalige deutsche Meister auch und drückte den MTV Stuttgart mit Anpfiff zur zweiten Hälfte tief in die eigene Hälfte, die wiederum auf Konter setzte. Die erste Großchance erspielte sich jedoch der MTV, als ein klasse geschossener Freistoß an den Pfosten knallte. Danach lief Marburg Angriff um Angriff, scheiterte aber oftmals aus aussichtsreicher Position an sich selbst oder am Stuttgarter Schlussmann. Stuttgart wurde mit Entlastungsangriffen gefährlich und die letzten Minuten wogte das Spiel hin und her mit einem Chancenplus auf Marburger Seite. Der Ausgleichstreffer sollte und wollte jedoch nicht fallen und so blieb mit dem Abpfiff der Partie die Enttäuschung über das verpasste Finale. Aber das hatte sich das Team selbst zuzuschreiben, mit keinen geschossenen Toren aus den zwei wichtigen Spielen sowie zwei individuellen Fehlern, die jeweils in diesen Spielen zum Gegentor führten, wäre das Finale nicht verdient gewesen.

Eine ungewöhnliche Saison mit ungewöhnlichem Ende

Als dann die letzte Partie aufgrund des Nichtantretens von Borussia Dortmund mit 2 : 0 für Marburg gewertet wurde, fanden sich die Sportfreunde mit neun Punkten auf Rang drei der Tabelle wieder, welches das Spiel um Platz drei berechtigte, das am 24. Oktober in Magdeburg ausgespielt werden sollte. Als der BVB auch diese Partie Corona-bedingt absagte, wurde auch dieses Match für Marburg gewertet und so fand für das Team eine ungewöhnliche Saison ein ungewöhnliches Ende.

Das Spiel um Platz fünf zwischen Schalke und der Spielgemeinschaft Köln/Berlin wurde auch abgesagt, sodass es lediglich zum Showdown um Platz eins zwischen dem FC St. Pauli und dem MTV Stuttgart kam. Dieses Spiel gewann der MTV Stuttgart mit 3:0 und sicherte sich die siebte Meisterschaft.

Abschlusstabelle:

  1. MTV Stuttgart
  2. FC St. Pauli
  3. Sportfreunde Blau-Gelb blista Marburg
  4. Borussia Dortmund
  5. Spielgemeinschaft PSV Köln/Hertha BSC Berlin
  6. FC Schalke 04