„Viele einzelne Stimmen werden zu einer großen”: Fridays for Future!
Dr. Imke Troltenier | Tamara und Jeanne sind zwei blista-Schülerinnen im Aufbruch. Ihren Abschluss an der Fachoberschule Gesundheit haben sie schon in der Tasche. Beide werden im Oktober ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin beginnen, die eine in Marburg, die andere auf der Schwäbischen Alb. Heute aber nehmen sich die beiden jungen Frauen zwischen all dem Trubel die Zeit, mit Charme und Selbstbewusstsein von ihrem politischen Engagement zu berichten.
Warum sie sich für Politik interessieren?
„Das muss man einfach, schließlich erhält man in der Demokratie ein Stimmrecht. Und ich will auch mitentscheiden, was hier passiert, in unserem schönen Staat“, erklärt Tamara. Jeanne stimmt zu: „Es geht schließlich um die persönliche Meinung, die man in das Gesamtbild einfließen lassen kann.“
Sind die „Fridays for Future“ (FFF) ihr erstes öffentliches Engagement? Wie kamen die beiden 18-Jährigen dazu?
„Also ich habe das über die sozialen Medien mitbekommen und darüber, dass zwei, drei Leute an der blista das in unsere WhatsApp-Gruppen gestellt haben. Dann bin ich einfach hingegangen und fand es toll. Es ist es ist ja auch ein sehr wichtiges Thema“, sagt Tamara. Jeanne erklärt: „Bei der Demo zum Bundesteilhabegesetz war ich auch mit dabei. Jetzt geht es uns und den Leuten von FFF aber darum, dass eine bessere, nachhaltigere Klimapolitik gemacht wird. Das ist der Kern des Ganzen.“ Tamara ergänzt: „Ja, das ist der Kern und es gibt dabei auch ganz verschiedene Strömungen, vom Müllsammeln bis zur Ernährung, das deckt eigentlich fast jeden Lebensbereich ab. Man trifft junge Menschen, die Parteien angehören, erfährt viel zu den einzelnen Themen und kann sich über Dinge genau informieren. Man bekommt auch mit, wo Veranstaltungen stattfinden wie Müllsammeln oder Kleidertausch. Deshalb ist es wohl so ein großer Selbstläufer geworden, weil wir untereinander ohne viele Barrieren kommunizieren können.“
Weltweit demonstrieren derzeit junge Leute in 92 Ländern und auf 5 Kontinenten, mit wem vernetzt man sich da?
„Also hier sind es die Leute in und um Marburg, von anderen Schulen“, erzählt Jeanne. Tamara fügt hinzu: „Aber man kommt auch ein bisschen in Deutschland rum. Bei uns im Schwarzwald, in Rottweil, in Tübingen … – egal wo man hinkommt, man hat das gleiche Thema und ist in einer Gruppe, die die gleichen Interessen verfolgt.“ „Und wie man sieht, ist es ja nicht ‚nur‘ die Forderung an die hohen Politiker selbst, sondern man bekommt auch viel über kleine Organisationen und Vereine mit, in denen man selbst agieren kann“, erzählt Jeanne und zitiert einen Satz, der ihr gut gefällt: ‚Bevor sich etwas ändern kann in der Politik, muss sich erst das Denken der Menschen und der Gesellschaft ändern.‘ Man merkt“, sagt Jeanne, „dass das mit FFF jetzt passiert. Es werden immer mehr Leute und es sind Gruppen dazu gekommen wie ‚Scientists for Future‘ und ‚Parents for Future‘.“
Wie war das hier an der blista? Gab es in der Schule Stress, wenn sie gefehlt haben?
Beide sind sich einig. Prinzipiell sei es wie an jeder anderen Schule. Die Fehlstunden können nicht entschuldigt werden. Aber es komme auch auf die einzelnen Lehrer an und die jeweilige offizielle oder inoffiziell vorgetragene Meinung. Je nachdem habe man das Thema auch mehr oder weniger im Unterricht diskutieren können. An der Carl-Strehl-Schule seien sie wohl mit bei den ersten gewesen, die zu den FFF-Demonstrationen gegangen seien, aber durchaus nicht die einzigen. Nach und nach wurden es mehr. Dann habe man auf dem Marburger Marktplatz auf einmal auch Leute aus ganz anderen Klassen gesehen. Oder kleine Kinder, Grundschüler aus anderen Schulen. Das sei einfach toll! Es käme ja oft die Kritik, dass besonders die jungen Schüler das Ganze gar nicht verstehen könnten. Aber gerade bei den FFF-Demonstrationen lerne man durch die Reden und Beiträge sehr viel. Leute, die sagen, das seien alles Schulschwänzer machten sich die Sache zu einfach. Sicherlich gäbe es Schüler, die schwänzten. Aber die Mehrheit sei das bei Weitem nicht.
Ob sie selbst schon mal bei einer Kleidertauschbörse oder ähnlichem mitgemacht, im persönlichen Bereich ihr Denken und Handeln im Sinne einer nachhaltigeren Klimapolitik verändert haben?
„Unsere Wohngruppe hat ein Klimaschutzprojekt angefangen, darüber habe ich gerade einen kleinen Artikel geschrieben“, erzählt Jeanne: „Darin erzähle ich zum Beispiel, dass wir gemeinsam in dem neuen Marburger ‚unverpackt-Laden‘ waren und dass es ein ganz großes Interesse bei allen WG-Bewohnern gibt.“ Tamara fügt an: „Ich finde, auch bei der Europawahl hat man die Auswirkungen der Bewegung schon deutlich gemerkt, viele einzelne Stimmen werden zu einer großen.“