Verantwortung gemeinsam leben – Gewaltschutz an der blista

Ein Holzblock mit einem fettgedruckten schwarzen Ausrufezeichen aufgedruckt steht auf einem Tisch

Amélie Schneider | „Ursache ist nicht nur das individuelle Versagen Einzelner, sondern auch das strukturelle Versagen der Institution.“ Am Pädagogischen Tag 2025 schilderte J. Birnthaler von „Wildwasser Gießen“ eindrucksvoll, weshalb alle Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe ein Gewaltschutzkonzept vorhalten müssen. Die Darstellung der Skandale innerhalb von Kirche, Sport und Jugendhilfe sowie die Häufigkeit von Gewalt gegen Menschen mit Behinderung lösten Handlungsmotivation im Plenum aus.

Es sind Vorgaben aus dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, dem Schulgesetz und dem neunten Sozialgesetzbuch, die uns dazu verpflichten.

Für alle Fachkräfte der blista ist Gewaltschutz weit mehr als Pflicht. Es ist Ausdruck des Leitgedankens, Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Wir übernehmen Verantwortung für eine sichere und vertrauensvolle Umgebung, frei von Grenzverletzungen, körperlicher, psychischer, sexualisierter Gewalt und jeglicher Form von Diskriminierung. Seit 2023 arbeitet eine Steuerungsgruppe aus Vertreter*innen aller pädagogischen Leitungen und des Vorstandes an der Entwicklung des Gewaltschutzkonzeptes und wird auch weiterhin gemeinsame Entwicklungs-, Lern- und Reflexionsprozesse für alle Abteilungen koordinieren.

Ein Konzept mit vielen Bausteinen

Ein Gewaltschutzkonzept besteht aus aufeinander bezogenen Komponenten, welche zusammen ein Schutzsystem bilden, das in Strukturen, Abläufen und in der Haltung der Mitarbeitenden verankert ist. Zentrale Bestandteile sind u.a. Risiko- und Gefährdungsanalysen, Fortbildung für Mitarbeitende, Präventionsangebote für Klient*innen, transparente Beschwerdeverfahren sowie ein Leitbild und Verhaltensleitlinien für Mitarbeitende.

Risiko- und Gefährdungsanalysen sind Bestandsaufnahmen, mit denen potenzielle Gefahrenquellen und Strukturen identifiziert werden, die Gewalt begünstigen können. Dafür können Befragungen, räumliche Begehungen, Interviews oder Checklisten zum Einsatz kommen. Sie bilden die fachliche Grundlage für wirksame Konzepte. Das Internat hat eine anonyme Online-Umfrage hinsichtlich Atmosphäre und Zusammenleben in den Wohngruppen durchgeführt. In der Carl-Strehl-Schule haben Schüler*innen ihre Wünsche an eine „sichere Schule“ in Klassengesprächen formuliert.

Ebenfalls müssen sexualpädagogische und Partizipationskonzepte sowie Interventions- und Ablaufpläne für Gewaltvorfälle vorgehalten werden, die bereits seit vielen Jahren Bestandteil der pädagogischen Arbeit sind. Sie werden im Zuge der neuen Vorgaben überprüft und, wo es Sinn macht, einrichtungsweit vereinheitlicht.

Fortbildungen und Austausch

Den Auftakt bildete der Pädagogische Tag 2025, an dem 200 Mitarbeitende teilnahmen. Nach dem o. g. Fachvortrag wurde deutlich, dass Gewaltschutz kein Randthema ist: Er betrifft Strukturen, Haltungen und die tägliche Praxis. Externe Referent*innen gestalteten Angebote zu Anti-Mobbing-Strategien, queeren Lebenswelten, Cybergrooming oder der Prävention sexueller Gewalt unter Kindern. Aus dem Kolleg*innenkreis heraus wurden die Themen Jugendmedienschutz, gewaltfreie Sprache und Prävention im Sport aufbereitet. Zahlreiche Rückmeldungen, die uns über eine Online-Evaluation erreicht haben, untermauern, wie ernsthaft der Gewaltschutz im gesamten Kollegium aufgefasst wird.

Prävention mit Beteiligung

Ende 2025 nimmt die AG „Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche“ ihre Arbeit auf. Ziel ist es, ein blista-weites Präventionsprogramm zu entwickeln, das junge Menschen befähigt, unterschiedliche Formen von Gewalt und Grenzverletzungen zu erkennen sowie ihre eigenen Grenzen souverän wahren zu können. Darüber hinaus werden die Kinder und Jugendlichen lernen, wo und wie sie innerhalb und außerhalb der Einrichtung Unterstützung erhalten und sich im akuten Fall von Übergriffen schützen können. Auf Basis der Ergebnisse vom Pädagogischen Tag liegt ein Schwerpunkt auf der Prävention ungewollter Berührungen und Grenzverletzungen gegenüber weiblichen blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen. Die AG wird Perspektiven aus Internatsrat sowie Schüler* innen- und Elternvertretungen aktiv einbeziehen.

Transparente Beschwerdeverfahren

Wir haben eine Online-Meldefunktion für Gewaltvorfälle auf unserer Homepage eingerichtet und erfüllen so einen zentralen gesetzlichen Baustein. Wer innerhalb der Einrichtung Gewalt, Grenzverletzungen oder andere Übergriffe beobachtet oder erlebt hat, kann dies anonym oder namentlich melden. Das System ist barrierefrei gestaltet und ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz und Sicherheit. Die Funktion können Schüler*innen, Bewohner*innen, Klient*innen, Eltern, Mitarbeitende und weitere Personen nutzen. Zeitgleich haben wir ein allgemeines Online-Feedback etabliert. Anregungen, Dank und Kritik können eingereicht werden. So entsteht ein wertvoller Austausch zwischen den Bedürfnissen unserer Klient*innen und unseren Angeboten. Rückmeldungen – positiv wie kritisch – werden genutzt, um Strukturen zu verbessern und ein gutes Miteinander zu stärken.

Leitbild und Verhaltensleitlinien

22 Mitarbeitende aller Ressorts sind unserem Aufruf gefolgt und erarbeiten in Workshops ein neues Leitbild, das im Jahr 2026 veröffentlicht werden soll.

Zudem haben die Ressortleitungen unter Einbindung verschiedener Mitarbeitender einen Verhaltenskodex entwickelt, der sich in Abstimmung zwischen Vorstand und Betriebsrat befindet.

Der Weg ist das Ziel

Gewaltschutz ist ein fortlaufender Prozess, der sich kontinuierlich an den Bedürfnissen der Kinder, Jugendlichen und Mitarbeitenden orientiert. Die blista setzt dabei auf eine verbindliche Steuerungsstruktur, regelmäßige Fortbildungen, ein transparentes Meldesystem, gelebte Partizipation, Zusammenarbeit aller Bereiche und kontinuierliche Evaluation. Auf diese Weise wird ein systematischer Rahmen geschaffen, der wirksame Schutzmaßnahmen in den Strukturen und Abläufen der Einrichtung verankert.

Für Rückfragen können Sie sich an Amélie Schneider von der Stabsstelle Projektmanagement wenden: a.schneider@blista.de