Buchtipps

Buchcover von Zwiegespalten von Silke Wagner. Eine Frau mit Mundschutz, Handschuhen und OP-Kleidung schaut in die Kamera.

Thriller: Zwiegespalten - Silke Wagner 

Im Mittelpunkt des Thrillers Zwiegespalten der geburtsblinden Autorin Silke Wagner steht Frau Dr. med. Stefanie Heise, eine gynäkologische Ärztin mit einem nicht aufgearbeiteten Kindheitstrauma. Ihr Zwillingsbruder stirbt im Alter von 5 Jahren und sie gibt sich daran die Schuld. Einige Jahre später stirbt auch ihre Mutter an Krebs. Der gefühlskalte und karrierebewusste Vater steckt sie der Einfachheit halber in ein Internat. Dort fühlt sich Stefanie einsam, unverstanden und gemobbt. Und wie es in Internaten so üblich ist, ist der Ort ein einziges Sodom und Gomorra – Sex, wo das Ohr nur hinhört. Aber Stefanie geht unbeirrt ihren Weg. Sie ist gut in der Schule, absolviert anschließend erfolgreich ihr Medizinstudium und macht anschließend eine Ausbildung zur Fachärztin. Eine Ärztin, der die Patientinnen vertrauen könnten, wären da nicht die Stimmen in ihrem Kopf, die sich durch das Kindheitstrauma dort eingenistet haben und die Stefanie zu eher unappetitlichen Taten verleiten werden. Eines ihrer Opfer: die blinde Bürokauffrau Jessica. Aber warum gerade sie? Nun, das werden Jessica und die Leser*innen noch früh genug erfahren. Natürlich will Stefanie eigentlich ein guter Mensch sein, sucht sie doch nach Liebe, Verlässlichkeit und Geborgenheit. Leider stehen dem die Hormone und die dadurch bedingte ganzjährige Brunftzeit des Menschen entgegen, die Stefanies unschuldige Idylle zerstören wird. Tja, Triebe statt Liebe, also setzt es Hiebe - dafür werden schon die Stimmen in ihrem Oberstübchen sorgen. Thriller sind oft etwas unappetitlicher als Krimis. Denn Wut und Enttäuschung müssen ja irgendwie raus, also wird da nicht einfach jemand erschossen, sondern gequält, und dazu gibt es in unserem Fall Körperflüssigkeiten in allen Farben und Geschmacksrichtungen. Da braucht Mensch schon eine stabile Sexualität, um nach der Lektüre an selbiger noch Freude haben zu können. Könnte man jedenfalls meinen. Aber in diesem Erstlingswerk stimmen zwar die Zutaten, aber handwerklich ist noch Luft nach oben, die Geschichte ist für meinen Geschmack zu konventionell erzählt. Der Anfang zieht sich, ist eher undramatisch gehalten, man will nicht unbedingt umblättern und weiterlesen. Das Drama, das da so seinen Lauf nimmt, bräuchte mehr Verdichtung. Das Ende wartet zwar mit zwei Überraschungen auf, das reicht aber nicht ganz für einen Daumen nach oben. Auf jeden Fall nix für den hartgesottenen Thriller-Fan, eher was für Einsteiger und für Zartfühlige. Und die Botschaft? Die Liebe ist Gotteswerk, der Sex des Teufels Beitrag, jedenfalls der zur reinen Freizeitgestaltung außerhalb der Beziehung, in die man ja so viel investiert hat: Gefühle, Zeit, Nerven, Klebeband, Schaufel, Müllsack… Silke Wagner jedenfalls hat die Lust am Thriller-Schreiben für sich entdeckt, denn erhältlich ist bereits Zwiegespalten Teil zwo. 

Buchcover von "Mit einem lachenden Auge", darauf abgebildet ist die Autorin.

Biografisches. ​Mit einem lachenden Auge - Sophie von Stockhausen

In ihrem Buch Mit einem lachenden Auge – Wie eine unheilbare Krankheit das Leben verändert setzt sich Sophie von Stockhausen offen und schonungslos mit ihrer Reaktion auf die Diagnose hereditäre Netzhautdystrophie, die in Schüben schrittweise bis hin zur völligen Erblindung führen kann, auseinander. Doch lassen wir sie selbst zu Wort kommen: „Kurz vor meinem dreißigsten Lebensjahr wurde bei mir ein als irreversibel einzustufender Gendefekt der Netzhaut diagnostiziert, eine Erkrankung, die meine Sicht auf die Welt, wie ich sie kannte, grundlegend verändern würde.“ „Mein primäres Ziel war es, die perfekte Fassade so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Konsequent verschleierte ich das tatsächliche Ausmaß meines physischen wie psychischen Leidens.

Solange ich mich einem offensiven Umgang mit meiner Sehbehinderung verweigerte, würden die Probleme sich häufen, peinliche Verwechslungen, unnötige Missverständnisse, schmerzliche Zurückweisungen zu Dauerbegleitern im Alltag werden. Im Endeffekt ergaben all meine Bemühungen, weiterhin als perfekt Sehende zu gelten, genau das gegenteilige Bild.“ Damit ist noch längst nicht alles, aber schon vieles gesagt, worum es in ihrem Buch geht. Es wird bei Sophie von Stockhausen überaus deutlich, wie gerade eine progressive Augenerkrankung den Weg hin zur Akzeptanz der Behinderung erschwert. Auch wenn am Happy End bei ihr der offene Umgang mit der Behinderung stehen wird, trifft auch weiterhin eine sensible Psyche auf eine allzu robuste Umwelt. Auch dafür hat sie einen Tipp: „Missgeschicke, Peinlichkeiten oder Fehltritte mögen im Moment blamabel wirken, ja sogar unerträglich sein. (…) Solchen Unannehmlichkeiten mit Humor zu begegnen, bewirkt wahre Wunder.“ Klar, leichter geschrieben als getan. Letztlich schafft sie es, Managerin ihrer Sehbehinderung zu werden und kommt zu der Einsicht: „Auch dass mein ablehnendes, vermeidendes, kompensatorisches Verhalten alles andere als einzigartig war.“ Sophie von Stockhausen befindet sich dabei auch literarisch in bester Gesellschaft: Stephen Kuusisto, Jim Knipfel, Täppas Fogelberg, Ryan Knighton, John M. Hull, Saliya Kahawatte haben sich und ihre progressive Sehbehinderung in Buchform verewigt, alle mit Mehrwert und Erkenntnisgewinn zu lesen. Auf wenig Gegenliebe stoßen bei ihr die „Superbehinderten“, die mit irgendwelchen außergewöhnlichen Leistungen überall als Vorbild aufgeführt werden, denn, so die Autorin, dies würde suggerieren, dass die anderen, die „normalen Behinderten“ quasi selbst schuld sind, dass sie nicht so toll funktionieren. Stattdessen sollten, so Stockhausen, lieber diskriminierendes Denken und Barrieren abgebaut werden, denn in vielen Bereichen wird Seheinschränkung einfach noch immer nicht mitgedacht (dazu siehe auch Anna Rehm, Zeitenwendeartikel in dieser Ausgabe).

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