Buchtipps

Die Titelblätter der drei beschriebenen Bücher

Krimi: Sebastian Fitzek

Sebastian Fitzek war beim Erscheinen seines Psychothrillers Der Augensammler noch ein Shootingstar; heute wird er als „Meister des Wahns“ unter den Psychothriller-Autoren bezeichnet. Der Thriller Der Augensammler wurde von mir bereits in den blista-news 2011/2 besprochen, danach habe ich Fitzek - wie sagt man doch so schön – aus den Augen verloren. Damals hielt ein Serienkiller sich an Vätern schadlos, die sich um alles kümmern, nur nicht um ihre Kinder und Familien. Erst tötet er die Mutter, dann verschleppt er das Kind und gibt dem Vater 45 Stunden Zeit für die Suche. Das ist seine Methode. Nach Ablauf der Frist stirbt das Opfer in seinem Versteck. Doch damit ist das Grauen nicht vorbei: Den aufgefundenen Leichen fehlt jeweils das linke Auge. Ein faires Spiel – jedenfalls in den Augen des Serienkillers, und wie so oft scheinen die Gründe für seine Taten in einer schwierigen Kindheit zu liegen. „Bislang hat der Augensammler keine brauchbare Spur hinterlassen. Da meldet sich eine mysteriöse Zeugin: Alina Gregoriev, eine blinde Physiotherapeutin, die behauptet, durch bloße Körperberührung in die Vergangenheit ihrer Patienten sehen zu können. Und gestern habe sie womöglich den Augensammler behandelt …“  Klar, das Motiv einer blinden Physiotherapeutin mit seherischen Fähigkeiten ist jetzt nicht so wahnsinnig originell, aber das tut der Spannung des Thrillers keinen Abbruch. Schaffen es Alina und der gescheiterte Polizist Alexander Zorbach, der jetzt für eine Boulevardzeitung arbeitet, den Augensammler gemeinsam zur Strecke zu bringen?

Viel zu spät bemerken die beiden, dass sie selbst ins Visier des Augensammlers geraten sind.

Im zweiten Band Der Augenjäger, der kurz darauf veröffentlicht wurde – und den ich damals verpasst habe - geht die Jagd nach dem Serienkiller weiter. Alina Gregoriev soll durch ihre Fähigkeiten einen weiteren Psychopaten, der sich noch in Polizeigewahrsam befindet und seinen Opfern die Augenlider entfernt, um sie danach zu vergewaltigen, mit ihrer „hellsichtigen“ Begabung überführen, denn die wichtigste Zeugin der Polizei ist plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Gelingt es Alina nicht, käme das Monster aus Mangel an Beweisen wieder frei. Bald schon kommt der Verdacht auf, dass eine Verbindung zwischen dem Augenjäger und dem Augensammler bestehen könnte. Klar sollte den potentiellen Leser*innen jedoch sein, dass die beiden Psychothriller Szenen sexueller, physischer und psychischer Gewalt enthalten und daher erst ab 16 Jahren empfohlen werden.

Fitzek versteht es meisterlich, langsam Spannung aufzubauen, und führt gekonnt die geneigte Leserschaft immer wieder aufs Glatteis. Die Täter sind bekannt, einer von ihnen befindet sich sogar in Polizeigewahrsam – wer jetzt denkt, na ist doch alles klar, der irrt. Fitzek wartet mit einigen Überraschungen und Wendungen auf und kennt kein Erbarmen mit seinen Opfern. Spannung braucht eben Opfer bei Fitzek. Unsere blinde Physiotherapeutin Alina schlägt sich tapfer, hat aber für diesen Job einfach die falsche Ausbildung gewählt. Und noch was. Der Augenjäger verspricht Alina, die mit drei Jahren durch einen Unfall erblindete, das Augenlicht durch eine Hornhautverpflanzung zurückgeben zu können. Aber was ist sein Preis? Und wäre Alina bereit ihn zu bezahlen? Und will sie überhaupt wieder sehen können? Aber die Idee ist nun mal in ihrem Gehirn und die 16jährige unfreiwillige Spenderin liegt bereits angeschnallt neben ihr auf dem OP-Tisch. Fitzek, so gehört es sich für einen Psychothriller, arbeitet sich an allem ab – der Angst vor einer plötzlichen Erblindung, dem Schrecken, die Augen vor nichts mehr verschließen zu können, oder der Hoffnung wieder sehen zu können – und der Frage, ob blinde Menschen  wirklich seherische Fähigkeiten haben oder ob ihre Hirnstrukturen einfach nur besser bzw. anders verschaltet sind und sie deshalb zu Einsichten kommen, die Sehenden meist verschlossen bleiben. Aber zunächst muss Alina das „Gesehene“ auch richtig interpretieren, und da liegt der Hund bei ihr begraben. Und wie meine Großmutter immer sagte: Wer sich in Gefahr begibt, kommt auch in der Gefahr um – vor allem dann, wenn man niemanden einweiht und alles auf eigene Faust erledigen will. So haben es unsere Psychopaten relativ leicht: Falle aufstellen – Alina und Alex tapsen rein.

Lerneffekt gleich null! Achtung! Nicht die letzten Seiten aus Neugier zuerst lesen, dann ist die Überraschung weg.

Aller guten Dinge sind drei. Fitzek hat nach über einem Jahrzehnt mit dem Psychothriller Playlist nachgelegt. Der Augensammler treibt immer noch sein Unwesen, nicht tot zu kriegen der Kerl. Und einmal darf man raten, mit wem er noch eine Rechnung offen hat. Die Karten scheinen neu gemischt. Alina kann durch einen operativen Eingriff wieder sehen, allerdings mehr schlecht als recht und meint, durch den Verlust der Blindheit ihre seherische Begabung verloren zu haben. Jedenfalls ist ihr das Sehen mehr Last als Lust nach so vielen Jahren Blindheit. Deshalb trägt sie meist eine Verdunklungsbrille, denn mit dem, was sie sieht, kann sie recht wenig anfangen. Diesmal hat der Augensammler sich darauf verlegt, mit seinen Probanden einen perversen Liebestest zu machen. Aber sein eigentliches Ziel scheint es zu sein, die sehbehinderte Alina und ihren Spezi Alexander Zorbach endlich so richtig dranzukriegen. Und wieder gilt: Der Spannung wegen sollte an dieser Stelle nicht mehr offenbart werden. Fitzek liefert routiniert und wartet mit einem für einen Psychothriller ganz versöhnlichen Ende auf - allerdings weit genug entfernt von einem Happy End. Ist ja kein Groschenroman. „Es ist vorbei, oder?“ „Ja, es ist vorbei.“  Der Augensammler ist Geschichte - wird ja auch Zeit. Alles in allem eine nette Urlaubslektüre, die mich auf  völlig andere Gedanken gebracht hat.    

Alle drei Thriller von Sebastian Fitzek sind in der kostenlosen Leselust-App der Deutschen Blinden-Bibliothek verfügbar und können dort als Hörbuch heruntergeladen oder online angehört werden. Nähere Infos dazu unter http://katalog.blista.de