Liebe Absolventinnen und Absolventen, liebe Eltern und Verwandte, liebe Lehrerinnen, Lehrer und Schulleitung,

es ist mir eine Ehre hier heute diese Rede halten zu dürfen. Wie Sie ja vermutlich wissen oder zumindest mittlerweile in Erfahrung bringen konnten, ist unser Abimotto „HABI Potter - und die Heiligtümer der Intelligenz“ und somit möchte ich mit einem Zitat aus Harry Potter beginnen: „Der sprechende Hut hat gesagt, dass wir in diesen schweren Zeiten tapfer sein müssen. Der kann so etwas leicht sagen - so als Hut“ - Ron Weasly. Auch unser Jahrgang hat sein Abitur in besonderen Zeiten absolviert. Wir haben mehr oder weniger viel Arbeit in die Vorbereitung gesteckt und konnten uns das Abitur - leider - nicht herbeizaubern. Aber gemeinsam haben wir es geschafft und so lohnt es sich, einen kleinen Blick zurück zu werfen, bevor wir uns alle auf den Weg machen den goldenen Schnatz zu fangen.

Bei uns hat kein sprechender Hut über unser Haus entschieden, aber wir alle haben darauf gewartet durch einen Brief zu erfahren, in welche Wohngruppe wir kommen. Dieser Brief flog leider auch nicht mit einer Eule ein, sondern vielmehr mit einem Postboten.

Der erste Schultag an der neuen Schule stand bevor. Schüler die mit dem Fahrdienst gebracht wurden, kennen sicherlich den turbulenten Start, den ein neues Schuljahr mit sich bringt. Man lernt seine Mitschüler kennen und seine Lehrer und versucht sich in der neuen Umgebung zurecht zu finden. Bei uns in der Klasse ging dies zum Glück recht schnell und so haben wir ein gutes Miteinander entwickelt. Unser Klassenlehrer Herr Balzer musste auch ziemlich bald feststellen, was für eine lebendige Klasse er jetzt leiten muss. Eines der Schlüsselerlebnisse hierfür war vermutlich eine Situation, in der die Hälfte der Klasse den Ententanz zur passenden Musik getanzt hat. Er kam in die Klasse und schaute etwas irritiert. Aber innerhalb der zwei Jahre konnte er sich auch an die Tanz- und Gesangseinlagen unserer Klasse gewöhnen - hoffe ich zumindest.

Durch das Praktikum der Fachoberschule Sozialwesen und Gesundheit mussten wir uns nach einem halben Jahr schon der ersten großen Herausforderung stellen. Für uns FOGler ging es erst einmal nach Mainz. Die FOSler haben sich in Deutschland verteilt. Es war anstrengend und so ganz anders als Schule. Doch durch unseren Zusammenhalt, unseren Spaß und unsere enger gewordene Freundschaft konnten wir auch diese Herausforderung meistern. Und wir haben eine Menge Anekdoten gesammelt, die nur durch ein Schlagwort bei uns zu einem Grinsen führen. Aber ich denke das geht hier an der Schule jedem so.

In den letzten zwei Jahren gab es Phasen mit mehr oder weniger Motivation. Um uns bei der Motivation etwas zu helfen, musste die ein oder andere Bestechung her. Frau Dirmeier hat bei uns eine gute Lösung gefunden. Zu den Nachmittagsstunden am Freitag hat sie uns immer Schokolade mitgebracht. Also merken Sie sich, Schokolade hilft immer! Und wenn sie nur dazu dient, dass erst einmal genüssliches Schweigen herrscht.

Man hatte es mit uns nicht immer leicht. Ich erwähnte ja schon, dass wir eine lebendige Klasse waren. Kreativität war das eine, aber einige von uns haben auch ein Herz-Klappen-Problem. Keine Sorge, dass ist jetzt nichts Medizinisches ... Einige haben ein zu großes Herz und eine zu große Klappe. Wenn es Probleme gab, standen wir füreinander ein. Es gab immer jemanden der bei Problemen etwas gesagt hat. Das war vermutlich nicht immer leicht, weil das sich dann ja auch irgendjemand anhören musste. Aber ich denke, dass es wichtig ist, dass es Menschen gibt, die aufstehen. Menschen, die für andere auf die Tische steigen. Menschen, die den Mut haben - oder den nötigen Grad der Verrücktheit - etwas bewegen zu wollen. Glauben Sie nicht auch, dass die Menschen die verrückt genug sind zu denken, dass sie die Welt verändern könnten, auch diejenigen sind, die es auch tun?

Gemeinsame Erfahrungen von früher schweißen einen ebenfalls zusammen. Menschen mit Behinderung haben es nicht immer einfach. Einige von uns haben sehr unschöne Erlebnisse an Regelschulen erlebt. Aber hier an der Schule haben wir Menschen gefunden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Menschen, bei denen man nicht alles erklären musste. Menschen, die uns unterstützt haben. Menschen, die auf kreative Weise Probleme aufgrund der Behinderung gelöst haben, sodass der Unterricht für uns alle erfahrbar wurde.

Deswegen möchte ich mich ganz herzlich bei all unseren Lehrern bedanken. Danke, dass sie mit Freude und Spaß unterrichten. Danke, für die Geduld mit uns, insbesondere wenn sich unsere Sehleistung verändert hat und unsere Arbeitstechniken nicht mehr optimal waren. Danke für die Zuversicht, dass aus uns etwas wird, auch wenn wir manchmal lieber Spaß hatten, als Unterricht. Und auch nochmal ein großes Dankeschön für die gute Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen, trotz der widrigen Umstände.

Liebe Damen und Herren bedenken Sie, Fehlzeiten und Unterricht über Jitsi waren für alle Seiten sehr anstrengend. Ein großes Dankeschön geht auch an die Schulleitung und die betreffenden Personen die während der Pandemie und mit den kurzfristigen Änderungen viel Flexibilität und Spontanität zeigen mussten. Und auch ein Dankeschön an die anderen Mitarbeiter der Schule und des RES ohne die wir weder etwas zu essen, noch Orientierung hätten und ohne die wir wohl ohne Strom, Internet und Desinfektionsmittel (ja sehr wichtige Dinge in einer Pandemie) in den Klassenräumen oder über Jitsi hätten überleben müssen.

All diese Menschen haben es uns Absolventen ermöglicht, unseren Abschluss zu meistern. Mathe war für viele nicht die Liebe auf den ersten Blick - und auch nicht auf den zweiten. Wir haben etwas über die DNA gelernt, die homologe Reihe auswendig gelernt, Bücher gelesen, die nicht aus diesem Jahrhundert stammen, uns in Englisch über Themen unterhalten, bei denen wir auf Deutsch schon keine Ahnung hatten... Es heißt ja immer „nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“. Aber brauchen wir all diese Dinge wirklich auch in der Zukunft?

Der Einwand, dass wir davon so gut wie nichts mehr brauchen, scheint berechtigt. Doch haben wir durch das Ganze nicht nur den Stoff gelernt, sondern auch wichtige Kompetenzen erlangt. Wir haben uns gegenseitig unterstützt, mussten manchmal um Hilfe bitten, haben gelernt uns durchzubeißen... Wir haben gelernt Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und uns einen Ausgleich neben der Schule zu suchen. Und wohl das wichtigste, wir haben gelernt sicher aufzutreten und so zu tun als wüssten wir es, selbst wenn wir absolut gar keine Ahnung hatten.

Mit blindem Vertrauen (und ja, dass ist ein Wortwitz) haben sich die Schüler und Eltern an die blista gewandt und nun stehen wir hier mit unseren Abschlusszeugnissen. Kein Brief aus Hogwarts war nötig, keine Zauberei und unser Abfuhrgleis war auch nicht 9 3/4. Wir haben hier wichtige Kompetenzen erlernt und hatten positive Vorbilder vor Augen. Uns wurde alles Wichtige an die Hand gegeben, um unseren Weg zu finden und unsere Behinderung nicht als diese zu empfinden. Und deswegen möchte ich dazu aufrufen, dass wir alle versuchen verrückt genug zu sein, um die Welt zu verändern. Seid kreativ, wenn ihr vor Problemen steht. Erinnert euch daran, was wir hier gelernt haben. Erinnert euch daran, dass es Menschen gibt, die euch helfen, die euch verstehen und mit denen ihr schon viele Herausforderungen gemeistert habt. Und vergesst nicht „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“ (Albert Einstein) und so lasst uns auf die Besen steigen und in der Welt da draußen den goldenen Schnatz fangen, ganz nach unserem Motto „HABI Potter und die Heiligtümer der Intelligenz“.

Vielen Dank!