Buchtipps

Das Buchcover zeigt eine Ostseelandschaft

Mein Tod in deinen Augen – Thriller von Sophie Kendrick

Winnie Thiessen ␐ Das Setting: Die Kunsttherapeutin Jennifer Lark wird von einem Stalker überfallen, aber sie kann den potentiellen Vergewaltiger erfolgreich abwehren. Die Tat führt bei ihr zu einer traumatischen Blindheit. Trotz dieses Handicaps wird sie von einem Therapeuten, der auf der Ostseeinsel Rügen praktiziert, um Mithilfe bei der Analyse eines Bildes gebeten. Auf der Zugfahrt dorthin verliebt sie sich in einen Computerspezialisten. Eine attraktive blinde Frau zwischen zwei Männern – so viel darf verraten werden: es wird kein Spaziergang für Jennifer Lark, denn auch der Stalker scheint immer noch hinter ihr her zu sein.
Mein Tod in deinen Augen ist ein kurzweiliger und routiniert konstruierter Thriller, der mit einem überraschenden Ende aufwartet. Das handelnde Personal im Thriller ist recht übersichtlich, die Blindheit der Protagonistin ist handwerklich recht ordentlich dargestellt und die Sprache ist einfach gehalten. Spannung und Neugierde – wer, wann, was, weshalb, warum – halten den Leser bei der Stange. Und wenn man nach all den Turbulenzen und Mordopfern überhaupt noch von so etwas wie einem Happy End reden darf, dann hat der Thriller auch dieses noch zu bieten. Nichts für ganz hartgesottene Thrillerfans, aber ein perfektes Buch, um überschüssige Zeit totzuschlagen - Blutdruck und Puls bleiben beim Lesen in einem angenehmen Bereich.

 

Blind – Kriminalroman von Christine Brand

Nathaniel Brenner ist blind und wohnt mit seinem Blindenführhund in einer kleinen Wohnung in Bern. Wenn er mal wieder nicht weiß, welches Hemd zu welcher Hose passt, nimmt er einfach sein Handy zur Hand und benutzt die App Be my eyes. Eine ihm fremde Person, die von der App angerufen wurde, hilft ihm dann bei der Farbwahl seiner Kleidung. Doch diesmal hört er einen Schrei und die Verbindung bricht plötzlich mitten im Gespräch ab. Nathaniel ist sich ­sicher, dass er Ohrenzeuge eines Verbrechens geworden ist – doch wird ihm jemand glauben, oder muss er sich doch allein auf die Suche nach dem vermeintlichen Opfer machen? Natürlich nicht. Milla, ein bekannte Journalistin, lässt sich von ihm überzeugen, dass an seiner Geschichte etwas dran sein könnte. Wohingegen die Polizei sich ziemlich bockig verhält und zum Jagen getragen werden muss. Der Leser erfährt gleich zu Beginn, dass da natürlich was am anbrennen ist, und muss dann mit „ansehen“, wie die Autorin ihre Protagonisten auch noch den abwegigsten Holzweg beschreiten lässt. Nicht ganz schuldlos daran sind die suboptimale Kommunikation und die Begriffsstutzigkeit der am Fall Beteiligten. Manchmal dachte ich, die Ermittler sind dümmer als die Polizei erlaubt. Die vielen Bretter vorm Kopp schmälern selbstverständlich die Sicht auf die Dinge und sorgen so für eine gewisse Spannung im Krimi. Aber den Leser, also meine Wenigkeit, kann so was schon mal in den Wahnsinn treiben. Hier noch ein Schlenker, dort noch ein kleiner Umweg, der Plot entfaltet sich quälend langsam. Für Ungeduldige ist der Krimi nichts, aber wirklich schlecht ist er auch nicht. Am Ende bleibt allerdings noch die eine oder andere Frage nach den Motiven der Protagonisten offen.  

Das Buchcover zeigt den Titel "Blind" in Schwarz- und visualisierter Brailleschrift

Blind: Freundschaft mit der Dunkelheit – Dieter Kleffner

Kein Krimi – aber das Buch endet mit einer „kriminellen“ Kurzgeschichte. Kein Gedichtband – aber es steckt viel Lyrik drin. Kein Psychoratgeber – aber … Blind ist eine Co-Produktion rund um das Thema Sehbehinderung der blinden Autoren Kleffner, Klasen und Röthle. Dabei bedienen sie sich unterschiedlichster Stilmittel: Gedichte, Kurzgeschichten, Berichte. Entstanden ist so ein ­Kessel Buntes. Ob Betroffener oder „nur“ Interessierter, für jeden ist mit Sicherheit etwas Ansprechendes zum Thema Blindheit dabei. Hilfsmitteltipps, persönliche Erfahrungen mit Sehrestverschlechterung, Reisen als Blinder mit der Bahn, Speisen in einem Dunkelrestaurant, Selbständigkeit/Unabhängigkeit, Alltagsbewältigung als blinder Mensch u.v.m. Dieser Mix ist zugleich Stärke und Schwäche des Buches. Es ist facettenreich und auf jeden Fall etwas für Einsteiger in die Thematik Sehbehinderung, auch wenn die Qualität der Beiträge schwankt. Und wer nach der Lektüre noch mehr zum Thema erfahren möchte, der findet im Buch die entsprechenden Hinweise zu weiteren Büchern und Blogs der Autoren.      

Das Buchcover zeigt einen Leuchtturm

Zwei LHON-Biografien

Und es wurde Licht. Eine Reise in die Dunkelheit – und zurück
– Kevin Coughlin/Traci Medford-Rosow

New York 1997. Mit 36 Jahren wacht Kevin eines Morgens auf und kann die Zeitung nicht mehr lesen. Fünf Tage später ist er blind. Er weiß nicht, dass er an einer seltenen Erbkrankheit leidet, der Leber’schen hereditären Optikusneuropathie. Fünfzehn Jahre später meint Kevin eines Nachts, einen Lichtschimmer im Badezimmerspiegel wahrgenommen zu haben – und er hat sich nicht geirrt. Die Regeneration seines Sehnervs verläuft langsam aber stetig über mehrere Jahre. Kevin tut alles erdenkliche, um den Selbstheilungsprozess zu unterstützen und führt darüber akribisch Tagebuch.
Traci Medford-Rosow erzählt die Geschichte eines jungen Mann, der nicht nur sein Augenlicht verliert, sondern auch seinen Job, der einen langen Kampf gegen Depression, Alkoholabhängigkeit und finanzielle Probleme führt, daran aber nicht zerbricht, sondern aus diesem Kampf gestärkt hervorgeht. Warum sich Kevins Sehfähigkeit wieder regeneriert, bleibt dabei im Dunkeln. Und es wurde Licht ist eine biografische Erzählung, die das Hauptaugenmerk auf Kevins Aus­einandersetzung mit der Erblindung und deren Auswirkungen auf sein Leben und seine Psyche legt. Auch wenn es wieder einmal eine typisch amerikanische Geschichte über eine beglückende innere Wandlung geworden ist, konnte ich dem Buch durchaus etwas abgewinnen. 

Das Buchcover ist eine Collage: Ein weißes Pferd über einem gedeckten Tisch

Der blinde Fotograf – Autobiografie von Hannes Wallrafen

Wallrafen wurde 1951 in Mönchengladbach geboren und lebt seit 40 Jahren in Amsterdam. In den Niederlanden wurde er durch seine Arbeit als Dokumentarfotograf bekannt, für unterschiedliche Zeitschriften reiste er in den 1970er und -80er Jahre in die damaligen Krisenregionen der Welt. 2004 erblindete er an LHON, einer Erbkrankheit, die in der Regel schon in der Pubertät ausbricht und meist in kürzester Zeit zu einem fast vollständigen Sehrestverlust führt. Nach seiner Erblindung entdeckte Wallrafen die Klangkunst für sich und wurde zum „Audiografen“. Hannes Wallrafen hat als Mensch und Fotograf – was bei ihm nicht ganz sauber zu trennen ist – einiges erlebt und kann darüber spannend und unterhaltsam schreiben. Die Darstellung der Veränderung seiner Wahrnehmung seit seiner Erblindung ist für ihn, als professioneller Augenmensch, von besonderem Interesse. Waren früher dem Fotografen Wallrafen Kamera und Auge die Werkzeuge, sind es nun für ihn als Audiografen in der Hauptsache Mikrofon und Ohr. Jetzt heißt es für ihn sehen mit den Ohren und Fingern. Wallrafen setzt sich in seinem Buch mit den unterschiedlichsten Facetten seiner Seheinschränkung auseinander, die er zum Teil mit herben Anekdoten zu würzen weiß. Thema ist immer wieder sein gutes visuelles Vorstellungsvermögen, das ihm auch nach Jahren der Blindheit geblieben ist und mit dem er weiterhin zu arbeiten versucht. Das letzte Viertel des Buches widmet Hannes Wallrafen der Darstellung seiner zahlreichen Projekte als Audiograf. Dieser Teil ist allerdings eher etwas für Liebhaber und Kenner. Alles in allem führt uns Wallrafen kurzweilig durch die Zeitgeschichte nach 1968, durch das vergangene und gegenwärtige Amsterdam und lässt den Leser staunen über seinem aktiven Umgang mit seiner Behinderung.      
[*Pädagogischer Mitarbeiter im Internat]

Und jetzt darf sich meine Gastrezen­sionistin Helen Luczak austoben:

Das Buchcover zeigt zwei Menschen im Londoner Nebel

Weisser Tod – Krimi von Robert Galbraith

Die Geschichte spielt im Sommer 2012, während der olympischen Spiele in London. Der Privatdetektiv Cormoran Strike ist berühmter denn je. Der einbeinige Ex-Soldat kann sich vor Aufträgen kaum retten und muss Verstärkung anheuern. Seine Partnerin in der Detektei, Robin Ellacott, kämpft noch mit den Folgen eines Überfalls und der Verletzung bei der Ergreifung des Shacklewell Rippers. Da erweckt ein scheinbarer Mord von vor vielen Jahren, angedeutet von dem mysteriösen Billy, Strikes Interesse. Gleichzeitig beauftragt der konservative Parlamentsabgeordnete Jasper Chiswell den Detektiv. Er wird erpresst und Strike soll illegale Machenschaften aufspüren und den Erpressungsversuch unter die Lupe nehmen, unter anderem im Umfeld der blinden Sportministerin. Es gibt viel zu tun. Dunkle Familiengeheimnisse, eine Gruppe von Olympia Protestlern, die mysteriöse Behauptung über einen Mord, viele lose Fäden, deren Verbindung zunächst noch unklar ist. Die Spurensuche führt Strike und Robin quer durch London bis aufs Land zu einem heruntergekommenen Herrenhaus nach Oxfordshire.

Das Buch ist mit seinen 860 Seiten schon eine Herausforderung. Wenn man aber erst einmal alle Charaktere und Handlungsstränge kennengelernt hat, liest man die zweite Hälfte in einem Rutsch durch. Alle Zutaten eines guten Krimis sind vorhanden: Spannung, unerwartete Wendungen, interessante Personen und gute Ermittler.

Dieses ist der vierte Band der Cormoran Strike Reihe von Joanne K. Rowling, die hier unter dem Pseudonym Robert Galbraith schreibt. Natürlich hat man in den vorangegangenen Bänden schon sehr viel über die beiden Ermittler erfahren, wie sie sich kennengelernt haben, über ihre privaten Beziehungen, ihre Vergangenheit usw.  Trotzdem kann „Weisser Tod“ auch solo gelesen werden, der Krimigeschichte tut das keinen Abbruch, alle Rätsel werden gelöst.