10 Jahre Montessori-Schule
(M)ein ganz persönlicher Rückblick auf ein wachsendes Kind in einer wachsenden Schule
Heike Flach | Sieben Absolvent*innen verlassen in diesem Jahr die Montessori-Schule mit dem Realschulabschluss. Bunte Motivationsplakate schmückten den Campus als Zeichen der Freude und des Stolzes. Auch ich bin stolz – als Mutter eines Absolventen. Marek ist der erste Schüler, der seine komplette Schullaufbahn an der MSM verbracht hat. Ein guter Moment, um zurückzublicken.
Die ersten Schritte als Schulkind
Vor etwas mehr als zehn Jahren entschieden wir uns voller Überzeugung für die Montessori-Schule: Die offene Schulgemeinschaft, die engagierten Lehrkräfte und das besondere Material hatten uns sofort begeistert. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der „Millionenwürfel“. In diesem Moment wurde mir klar: Lernen kann wirklich begreifbar sein.
Der Info-Abend fand noch in Wehrda statt, die Hospitation dann schon in den frisch bezogenen Räumen am Schlag 4. Schnell stand fest: Diese Schule soll es sein. Damals war ein Motivationsschreiben nötig – 14 Bewerbungen für 8 Plätze – Was muss da drinstehen? Wonach wird entschieden? Gibt es Vorrang für Geschwisterkinder? Wochen des Wartens – bis endlich die Zusage kam.
Der Anfang: Einschulung, Loslassen, Vertrauen
Die Einschulung war anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Drei Kinder mit Schultüten (wir hätten uns keine Sorgen machen müssen), ein kurzer Empfang – und schon begann der Unterricht. Der erwartete „große Moment“ blieb aus.
Ich war enttäuscht, sprach es an – und schon im nächsten Jahr war die Feier viel liebevoller gestaltet. Nur ein Beispiel dafür, wie Eltern die Schule mitgestalten können.
Mit dem Schulstart begann auch unser Lernprozess als Eltern: loslassen, vertrauen. Mareks erstes Busabenteuer – falscher Bus, kein Handy – endete gut.
Er kam an. Spät, aber er kam und das durchaus stolz, die Situation alleine gemeistert zu haben. Wir merkten: Er kann das. Und wir lernten, darauf zu vertrauen.
Wachsen mit Struktur – und Turbulenzen
Marek lernte schnell. Bereits zu Weihnachten konnte er lesen. Frau Lembkes Satz „Lesen ist der Schlüssel zum Erfolg“ blieb mir im Kopf. Und Marek schien tatsächlich ein Tor aufzustoßen – die alljährlichen Lesenächte wurden für ihn zum Highlight.
Auch die finanzielle Investition war spürbar, aber fair gedacht: damals gab es noch eine Materialflatrate für alle. Kein Stiftevergleich, keine fehlenden Arbeitsmaterialien – gleiche Voraussetzungen für alle. Für uns Eltern: weniger Organisation, weniger Stress.
In einer Schule, die im Aufbau ist, bleibt nichts lange, wie es ist. In 10 Jahren hatte Marek:
- 10 Lernbegleiter*innen (+ eine gewisse Anzahl von Namen, die nicht im Zeugnis auftauchen),
- 7 Schulleiter*innen
- 6 Umzüge.
Diese Zahlen sprechen für Bewegung – und manchmal auch für Unruhe. Ich habe die Wechsel oft verteidigt, auch wenn ich sie nicht immer gut fand. Denn: Jeder Wechsel birgt auch Chancen. Die Schule wuchs, suchte sich, fand sich neu.
Aber es gab auch Konstanten. Menschen wie Jörg Hristov oder Milena Hristova prägten die Schule über Jahre. Viele Ideen, die wir als Eltern angestoßen haben, sind heute Realität – etwa die feierlichere Einschulung. Das macht Mut.
Ein Kind wächst nicht allein – und eine Schule auch nicht Die ersten Jahre: zwei Räume, eine offene Tür zwischen LG1 und LG2, ein Gefühl von Familie. Marek fand seinen Platz – getragen, manchmal buchstäblich, von älteren Kindern. Wenn’s zu viel wurde, fand er Platz auf dem Schoß der Lehrerin. Dieses Miteinander prägte ihn.
Auch die Schulveranstaltungen entwickelten sich. Anfangs eher traditionell – mit etwas zu viel klassischer Musik für ungeduldige Geschwisterkinder. Später bunter, abwechslungsreicher, kindgerechter.
Wir sahen viele Kinder wachsen: vom schüchternen Erstklässler zum selbstbewussten Jugendlichen.
Und Marek wuchs mit. Ein wichtiger Begleiter in den ersten Jahren war Niklas, sein Lieblingsbetreuer. Ferien am Teufelsgraben, Projekte, Ausflüge, Lernabenteuer, Sylt, Theater, Bauernhof, Mathematikum. Schule war nie nur Unterricht, sondern ein Ort voller Erfahrungen.
Eine Schule in der Pubertät
Nach elf Jahren auf dem Campus ist die Schule aus den Kinderschuhen herausgewachsen – aber noch mitten in der Pubertät. Die äußeren Veränderungen sind sichtbar, die innere Haltung manchmal noch in der Findungsphase.
Alte Selbstverständlichkeiten werden infrage gestellt, neue Wege ausprobiert.
Es ist nicht immer einfach – aber es gehört dazu.
Wenn Kinder wachsen, sind Übergangsphasen normal. Da passen die Hosen manchmal nicht – zu kurz, zu lang, zu bunt. Auch die Schule hatte solche Phasen: Lehrermangel, Corona, Umzüge.
Und trotzdem: Es ging weiter. Immer.
Heute sehe ich eine Schule mit einem erkennbaren Profil, mit engagierten Überzeugungstäter*innen und mit Mut zur Entwicklung. Noch nicht alles läuft rund – aber vieles läuft besser.
Es bewegt sich.
Der Abschied – und ein Ausblick Nun endet Mareks Weg an dieser Schule.
Aber wir bleiben noch – mit jüngeren Kindern. Wir wünschen uns mehr Stabilität, mehr Routine, weniger Wechsel.
Aber auch Offenheit für neue Ideen, die in einer größeren Schulgemeinschaft umso wichtiger werden.
Und wir sind stolz. Auf Marek. Auf die sieben Absolvent*innen. Auf die Lernbegleiter* innen, die durchgehalten, getragen und begleitet haben. Auf uns Eltern, die oft zweifelten – aber vertrauten. Und auf eine Schule, die mit ihren Kindern wächst.
Denn: Auch Schulen müssen erst in ihre Rolle hineinwachsen. Auch hier hilft loslassen – und vertrauen.